Von Muse geküsst – oder auch nicht

„Widerstand und Ohrstöpsel zwecklos: Die britische Rockband Muse startete gestern Abend in Bern ihre Tournee durch die grössten Stadien der Welt. Sie tat es mit gewohnt pompöser Show, pathetischem Lärm und purer Wucht.“:

Mit diesen Worten eröffnet Adrian Zurbriggen in der Berner Zeitung seine ausführliche Würdigung des Muse-Konzerts von gestern Abend. Es sei „verblüffend, was für einen Krach dreieinhalb Männer mit Hilfe von etwas viel Technik machen können.“ Deshalb bleibe „gar manche Feinheit auf der Strecke, nicht aber die barocke Eleganz dieser seltsamen Songbastarde“, notiert Zurbriggen. Und schwärmt: „Unerbittlich fräst sich der musesche Klangkosmos aus Pomp, Pathos und Progrock ins Gehirn.“

„Die Gruppe Muse hat im Stade de Suisse eine neue Dimension des Stadionrocks zur Aufführung gebracht. Die Sinnlichkeit ist auf der Strecke geblieben – nicht aber der Spass“:

Das stellt Ane Hebeisen an den Anfang seiner umfangreichen Kritik im „Bund“. Seiner Ansicht nach klingen die Briten „wie eine monströse Rock-Big-Band, jeder Ton gleisst in atemberaubendem Bombast, jede Melodie wird zur Hymne aufgebläht, jeder Gitarrenakkord zum Manifest“.

Auch die Basler Zeitung räumt dem Anlass viel Platz ein.

„Das Trio Muse gastierte im Rahmen seiner diesjährigen Stadion-Tour in der Schweiz. Und begeisterte dabei 32 000 Fans zwei Stunden lang mit opulenter Show und dramatischen Songs“, fasst Mark Krebs zusammen. „Das Quartett zaubert von Beginn weg Dringlichkeit und Klangfülle ins Stadion, demonstriert Virtuosität und Songwriting-Qualitäten, changiert zwischen treibendem Progrock und theatralischem Pop.“

Und was ist sieben Stunden nach der letzten Zugabe online über das Spektakel zu lesen, das auch sehr junge und internet-affine Leute ins Stadion gelockt hatte? Wenig bis gar nichts. Der Netz-Ableger des Gratiheftlis begnügt sich mit einem 0815-Berichtli. Das Internetportal der Berner Zeitung meldet um 4.33 Uhr, dass Muse-Fans das Stadion belagern würden. Die Band ist zu diesem Zeitpunkt längst über alle Berge entschwunden. 

Ansonsten: tote Hose im Netz. Wer heute früh sucht, der findet nicht einmal in Fanforen und Blogs. Sondern nur in der Zeitung.

Das ist noch vor Sonnenaufgang die beste Meldung des Tages.

Mental herausgefordert

„Hans Müller, Lehrperson“: So war ein Brief unterschrieben, der gestern auf unsere Redaktion flatterte.

Der Absender hiess nicht Hans Müller. Aber das mit der „Lehrperson“ stimmt.

Als Lehrperson kümmert sich Hans Müller um Lernende, die später zu Mitarbeitenden, Studierenden oder Sozialhilfeempfangenden und irgendwann zu Rentenbeziehenden werden, falls sie nicht zu den Unheilbarerkrankenden, Tödlichverunfallenden oder OpferInnen von Mordenden gehören. Wenn sie nicht arbeiten, flanieren sie als Zufussgehende durch die Gassen oder pedalen als Radfahrende über Land.

Immer, wenn man/frau denkt, dass der Wahnsinn mit der politischen Korrektheit jetzt eine(n) nicht mehr zu übertreffenden GipfelIn erreicht hat, entdeckt irgendein Gutmensch garantiert eine noch hirnrissigere Formulierung wie, weils gerade so nahe liegt, „mental herausgefordert“ für „geistig behindert“.

Aber auf den Gedanken, dass sie sich mit jeder Neuerung noch lächerlicher machen, kommen die Begriffeerfindenden nicht.

Nur: Wie sollen sie auch, solange es Leute wie die deutsche Frauenrechtlerin Hannelore Mabry gibt, die gleichgeschlechtliche Andersdenkende als „Arschlöcherinnen“ titulierte.

Nachtrag: Es geht tatsächlich immer noch schlimmer.

Vom Hundertsten ins Tausendste

Am Anfang war es nur ein Gag: Mit Blick auf die Fussball-WM und ihre bisweilen sehr zweifelhaften musikalischen Nebenerscheinungen gründeten mein Brüetsch und ich auf Facebook die Gruppe „Wenn es schon eine WM-Hymne braucht, dann die hier„.

Mit „die hier“ gemeint ist der „Looo-lo-lo-loooo“-Song von „Bäng Gäng„, bei denen mein Brüetsch trommelt.

Der Gruppe schlossen sich in kurzer Zeit immer mehr Leute an. Als wir das hundertste Mitglied begrüssen durften, fand ich: „Hundert sind gut; tausend wären besser.“ Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, teilte mir mein Brüetsch mit, dass er sich ebenfalls zum Ziel gesetzt habe, tausend Fans in der Gruppe zu vereinen. Und siehe da: Ohne, dass wir dafür viele Finger krumm machen müssten, wächst die Schar immer weiter. 

Natürlich: Es spielt keine Rolle, wie gross das Grüppli ist und ob es überhaupt existiert. Aber mitzuverfolgen, wie etwas gross und grösser wird, das weder einen Sinn hat noch einen Zweck erfüllt, macht halt schon Spass.

Nachtrag 1: Yolanda Bögli, die wir beide von früher her kennen und die in Ecuador seit Jahren ein Hostel betreibt, macht auf Facebook ebenfalls Werbung für unsere Gruppe. Und bittet uns darum, ihr den Song als MP3-Datei zu schicken, damit sie ihn in Südamerika bei den Spielen der Schweizer Nati in voller Lautstärke abspielen kann.

Soviel Unterstützung will verdankt sein: Falls die Schweiz das Finale gewinnt, fliegen „Bäng Gäng“ nach Ecuador und spielen ihre Hymne in Yolis Garten.

Nachtrag 2: Die MP3-Datei ist angekommen. Der Song läuft jetzt in Ecuador rund um die Uhr; zumindest in Yolis Hostel.

Nachtrag 3: Im Netz wird das Werk eifrig diskutiert. Hier eine Auswahl von Hörerstimmen: 

„I dänke de Zwäck erföllts.Match luege,Bierli presse,tip-top.“

„Haha hehe de hammer aber oni scheiss das chamer au nome lose wen mer psofe esch.“

„Aifach nur lächerlich schämet er eu nö“

„Esch doch supi Lupi, fägt, en eifache Song förs Volk zum mithippe“

„peinlich, schlecht und doof!“

Zwischenstand Freitag, 4. Juni, 18.10 Uhr: Die 200er-Grenze ist bereits geknackt.

Zwischenstand Dienstag, 8. Juni, 7.00 Uhr: 225.

Im Rock-Schlaraffenland

Irgendwie ist dieses Jahr konzertmässig wie für mich gemacht:

Los gings in relativ kleinen Rahmen mit

Polo Hofer in der Zuger Chollerhalle

und

Skinny Machines im Café Anna zu Burgdorf.

Dann liessen es  

Kiss

und

Alicia Keys (was für ein Flügel!)

im Hallenstadion ordentlich krachen. 

Toto

und

Mark Knopfler

schauen im Juli in Locarno vorbei…und jetzt haben sich für den 25. Oktober auch noch

Supertramp

für einen Gig in Zürich angesagt.

Und: Am 12. November rocken

Deep Purple

Huttwil in Grund und Boden

(für spätere Historiker: so

sah das Dorf vorher aus).

Die schlechte Nachricht: Dann muss ich arbeiten.
Die gute: Die Arbeit besteht darin, für die BZ über das Konzert der alten Jungs zu schreiben.

Die ewigen Sieger

Wer auch immer heute Abend in Oslo gewinnt – in der Geschichte des Grand Prix Eurovision de la Chanson Eurovision Song Contest gibt es seit dem 6. April 1974 auf immer und ewig und darüberhinaus nur einen Gewinner:

Und so war das damals, in jener magischen Nacht in Brighton:

Wenig später liess am Pophimmel ein neuer Stern alle anderen verblassen.

See that girl, watch that scene: