„Jeder Krise wohnt auch eine Chance inne“, werden Exponentinnen und Exponenten der Lebensberatungsindustrie nicht müde zu wiederholen.
Im Fall „Corona auf den Kanaren“ besteht die Chance darin, sich zu jeder beliebigen Tageszeit an den Hotelpool fläzen zu können, ohne schon morgens um 4 ein Tüechli auf eine Liege klammern zu müssen.
Dann schauen wir doch mal, was auf Gran Canaria erlaubt ist und was nicht. Drinnen und draussen sind Masken Pflicht. Das gilt auch für das Spazierengehen am Strand und auf den Strandpromenaden. Das Rauchen auf der Strasse und in Beizen ist verboten, weil dafür der Mund- und Nasenschutz abgezogen werden müsste.
Von 22 bis 6 Uhr herrscht Ausgangssperre. In privaten oder öffentlichen Räumen dürfen sich maximal 4 Personen auf einmal treffen. Die Kapazitäten des öffentlichen Verkehrs wurden auf 50 Prozent heruntergefahren.
Zwischen Strandliegen und Sonnenschirmen muss ein Abstand von 2 Metern bestehen. Die Innenräume der Restaurants sind geschlossen. Sport ist nur einzeln oder paarweise gestattet. Liegen oder Hängematten müssen nach dem Gebrauch desinfiziert werden.
Wer auf die Insel einreisen will, muss gleich nach der Landung einen höchstens 72 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen. Im Flughafen messen an mobile Radarfallen erinnernde Geräte die Körpertemperaturen der Ankommenden. Beim Einchecken im Hotel hält der Gast noch einmal zum Fiebermessen hin.
Gemäss den unregelmässig veröffentlichten Daten der spanischen Gesundheitsbehörde sind die Fallzahlen langsam am Sinken. Weitere Infos dazu gibts hier.
Es ist ja nicht uninteressant: die lebenslustigen Südländer kämpfen mit ungleich schärferen Waffen gegen den Virus als wir sicherheitsversessenen Schweizerinnen und Schweizer.
Mit rund 40 Personen an Bord hebt ein Airbus 320 von Edelweiss Air in Zürich ab. Eigentlich sollte Flug WK210 vier Stunden später in Las Palmas auf Gran Canaria landen. Weil aber einige Leute eine ebenfalls nur spärlich gebuchte Reise nach Teneriffa gebucht hatten, legte Edelweiss die beiden Flüge zusammen.
In Teneriffa steigen alle Passagiere aus. Die einen bleiben auf der Insel. Die anderen warten in einer abgetrennten Halle auf den Weiterflug. Nach einer halben Stunde dürfen wir den Flieger – sein Innenraum wurde in dieser kurzen Zeit geputzt und desinfiziert – wieder besteigen. Zusätzlich entern zwei, drei Dutzend Menschen die Maschine, welche zurück nach Zürich wollen. Genauso, wie wir einen Umweg über Teneriffa nehmen mussten, legen sie gleich einen Zwischenhalt in Las Palmas ein.
Das alles ist für sämtliche Beteiligten mit einigem Aufwand und etlichem Zeitverlust verbunden. Aufregen tut sich jedoch niemand.
Normalerweise würde es im Flughafen Zürich um diese Zeit von Menschen wimmeln.
Aber normal ist natürlich auch hier schon lange nichts mehr. Der Gang durch die Hallen ähnelt der Besichtigung einer Geisterstadt.
Auch das Restaurant des Flughafenhotels ist leer. Bis vor einem Jahr unterhielten sich an seiner Bar Leute aus allen möglichen Nationen in allen denkbaren Sprachen über das, was sie auf ihren Reisen gerade erlebt haben, oder das, was sie in den nächsten Wochen erleben möchten.
Jetzt ist dieser Treffpunkt geschlossen. Nur zwischen 18 und 21 Uhr werden Snacks serviert. Die Pizzen karrt freudlos ein Kurier mit dem Lieferwagen heran.
Neben den Liften steht ein Roboter. Man kann ihn vom Zimmer aus anrufen und ihm sagen, was man trinken möchte. Dann bringt er es hoch; er tut das lautlos und wartet nicht auf Trinkgeld. Auf mich wirkt er ein bisschen unheimlich.
Sooli: Übermorgen fliege ich nach Gran Canaria. Für drei Monate verlege ich mein Home und mein Office vom meist nasskalten Burgdorf auf die trockene und dauerbesonnte Insel vor der Küste Westafrikas.
Schreiben werde ich hier einerseits, um Geld zu verdienen. Und andererseits natürlich auch einfach so. Wer Nonsense wie gehabt erwartet (Beispiele dafür gibts hier, hier und hier) wird jedoch möglicherweise enttäuscht: In mehr oder weniger loser Folge notiere ich auch, was der Virus in dieser Touristenhochburg an(ge)richtet (hat), wie die Einheimischen und die Touristen damit umgehen oder wie sich der Alltag in einem palmenumsäumten Hochrisikogebiet anfühlt.
Ich steige, kurz gesagt, völlig planlos und mit grösstmöglicher Ergebnisoffenheit in das Projekt „Auswärtsschaffen“ und bin selber gespannt, was dabei herauskommt.