Alicia ohne Keys zu den Herzen

Auf der Grossleinwand sind Langstreckenraketen,  stilisierte Vögel, Minenfelder, Sterne, Stacheldraht, Mahatma Gandhi, Kampfflugzeuge, Prinzessin Diana, Atompilze, John F. Kennedy, Nikita Chruschtschow und andere tote Polit- und Gesellschaftsgrössen zu sehen. Was die Bilder miteinander zu tun haben, erschliesst sich nicht jedem im Publikum auf Anhieb.

Erahnbar ist: Es geht wohl um Krieg und Frieden und Leben und Tod und die Liebe und den Glauben und überhaupt: das grosse Ganze. Das ist, als Beilage zu einem Popkonzert, ziemlich mastige Kost.

Mit einer genauso grossen Kelle richtet Alicia Keys ihr musikalisches Menü für diesen Montagabend im Zürcher Hallenstadion an.  Wer sich auf ein Rendez-vous mit der „Frau am Flügel“ gefreut hat, wird zunächst eine halbe Stunde lang enttäuscht: Aus den Lautsprechern wummerts und krachts und donnerts und jaults mit einer Wucht, die die zwölffache Grammy-Gewinnerin aus New York beinahe begräbt. Einziger Lichtblick: „Another way to die„.

Und als endlich ein bisschen Ruhe einkehrt im nicht ausverkauften Rund: wirbt die knapp 30-Jährige für ein Kinderhilfswerk. Kaum hat sie ihre Botschaft verkündet, leuchten über der Bühne die Worte „Change“ und „Hope“. Auch das wirkt wieder furchtbar wichtig und ernst und bedeutungsschwanger und passt immer noch nicht zu dieser Unterhaltungs-Veranstaltung. Politisch-religiöse Statements und Rockmusik: das funktioniert, wenn der Verkünder Bono heisst oder Bob Dylan oder Neil Young oder  – mit Abstrichen – Bruce Springsteen. Aber sonst? Hm.

Erst in der zweiten Hälfte des Gigs besinnt sich Alicia Keys auf ihre Stärke: Fast ganz alleine mit sich, ihrer wunderschönen Stimme und den schwarzweissen Tasten, zeigt sie, wozu sie fähig wäre, wenn ihr nicht allpott ein übermotivierter Gitarrist mit einem uninspirierten Solo in die Parade fahren würde und man den ganzen Weltverbesserungsschnickschnack und den Gschpürschmizuckerguss von Anfang an weggelassen hätte. „Try sleepin‘ with a broken heart„: zum Niederknien schön. Aber jetzt ist es zu spät. Unter all dem musikalischen und politischen Krempel, den wer auch immer auf ihre Songs gekippt hat, findet Alicia die Keys zu den Herzen ihrer Fans heute nicht mehr.

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