Auf der Homeoffinsel (39)

Die Wirtschaft auf den Kanaren liegt immer noch am Boden. Das geht den Leuten zunehmend auf den Sack.

Sonntag, 14. März 2021, 4.20 Uhr

Bummeln, baden, biken, schwimmen, schwitzen, schwatzen, liegen, lesen, laufen, sünnele, sändele, swimmingpoolnutzen, fangfrische Fische verputzen und mir allerlei alberne Alliterationen ausdenken: in meinen Miniferien vom Homeoffice war mir nur selten langweilig (und wenn zwischendurch doch, habe ichs genossen).

Weiter war ich bei einem Coiffeur, der mir in 8 Minuten für 10 Euro und mit ohne „Soll ich es hinten auslaufen lassen?“ oder „Darf nochly Gel sein?“ einen pflegeleichten Warmwetterschnitt verpasste. Weil ich grad nochly vörige Zeit hatte, beschloss ich kurzerhand, mich von dem original echten Canario auch rasieren zu lassen.

Jetzt weiss ich, wie sich eine Meränngge unter Schlagrahm fühlt, und kenne ich den Kitzel, den es bereitet, wenn einem ein Wildfremder mit einer scharfen Klinge an der dünnen Haut über der Halsschlagader herumschabt.

Anschliessend brachte ich meine Siebensachen – darunter die nigelnagelneuen Shirts – in eine Wäscherei. Gestern schloss ich das Projekt „Postkarten“ an einem Briefkasten in Maspalomas ab statt erst zwischen der Landung in Zürich und der Abfahrt nach Burgdorf.

Viel zu schreiben hatte ich nicht. Tagsüber ist in Playa del Inglés ungefähr gleichviel los wie während der allnächtlichen Ausgangssperre.

Ein Beizer veranstaltet an diesem Wochenende zwei Konzerte, nur dürfte manchen Gästen beim Lauschen des mutmasslich steirischbayerischen Liedguts etwas Entscheidendes fehlen:

Die Hälfte meiner Inselzeit ist demnächst um. Trotz etlicher Einschränkungen ist es mir hier nach wie vor vögeliwohl. An meinem Gedankenhorizont taucht in diesem Moment wie am Morgen die Sonne aus dem Meer die Frage auf, wie lange es wohl dauern würde, bis die spanischen Behörden realisieren, dass meine auf drei Monate beschränkte Aufenthaltsdauer schon vor Monaten abgelaufen ist.

Andererseits (und sehr, sehr viel wichtiger):

Irgendwie scheint mir, dass die Menschen im Süden Gran Canarias – sie nahmen die Folgen der Pandemie bisher zumindest äusserlich mit bewundernswerter Gelassenheit hin – nun doch etwas nervös werden: ab Ostern begannen sich die Hotels bisher immer wie von selber zu füllen. Stand jetzt deutet allerdings kaum etwas darauf hin, dass die Feriensaison 2021 nennenswert weniger verheerend verlaufen wird als 2020.

Österreich und die Schweiz haben Spanien zwar von ihren Risikolisten gestrichen, doch Deutschland als einer der wichtigsten Touristenlieferanten belässt die Kanaren quasi im Giftschrank.

Der Optimismus der lokalen Geschäftsleute schwindet mit jedem Blick in die Onlineportale, welche die Entwicklung der Seuche auf dem europäischen Festland vermelden. Mit Besorgnis konstatieren die auf Gedeih und Verderb vom Fremdenverkehr abhängigen Einheimischen, dass in West- und Osteuropa weitere Virenwellen anrollen.

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