Die Wiedergeburt des Altbewährten

1978 klangen Krokus so:

2013 klingen Krokus so:

In den 35 Jahren dazwischen haben die Blueshardrocker aus Solothurn 14 Millionen Platten verkauft, Aberhunderttausende von Jeans- und Lederjackenträgern dies- und jenseits der Landesgrenzen live zum Rasen gebracht und zig Wechsel in der Bandzusammensetzung überstanden. Sie wurden in den Himmel geschrieben und zur Hölle gewünscht. Sie zerbrachen immer wieder an ihren eigenen Ansprüchen und am Ehrgeiz von vermeintlich wohlmeinenden Menschen, die es mit sich selber am Ende halt doch besser meinten als mit der Band.

Aber ein bisschen Krokus gabs immer, auch wenn die Musiker, die sich in trostlosen Mittelland-Mehrzweckhallen durch das Krokus-Repertoire spielten, nicht mehr viel gemeinsam hatten mit jenen Helden aus vergangenen Tagen, die mit ihrem Einszweidreiundabdiepost-Rock einst Grossbritannien, Japan und die Vereinigten Staaten von Amerika erobert hatten.

Und nun, nach zig Höhenflügen und Abstürzen, Trennungen und Wiedervereinigungen, öffentlich ausgetragenen Krächen und ebenso öffentlich zelebrierten Versöhnungen haben Krokus offensichtlich gefunden, wonach sie von Anfang an gesucht hatten: Die Freiheit, nur noch das machen zu dürfen, was sie wollen; und was sie am besten können.

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So gelöst und entspannt wie auf „Dirty Dynamite“ klang das Quintett noch nie. Von einem Druck, ums Töten einen Nachfolger für die Über-Alben „Hardware„, „Metal Rendez-Vous„, „Headhunter“ oder „One vice at a time“ zu schaffen, ist nichts zu hören und nichts zu spüren.

„Wir haben gemerkt, dass das, was uns verbindet, nämlich die Musik, stärker ist, als das, was uns damals getrennt hat. Jetzt bestimmen wir unser Schicksal selber“, sagt Gründungsmitglied, Bassist und Produzent Chris von Rohr.

Auch wenn von Rohr viel sagt, wenn der Tag lang ist: „Dirty Dynamite“ wirkt tatsächlich, als ob sich fünf Kumpels, die untereinander schon als Schüler die heissesten Rock-Kassettli ausgetauscht hatten, eines schönen Tages im Studio getroffen hätten, um sich ein paar Stunden lang ihre Lieblingsmelodien um die Ohren zu hauen. Spät in der Nacht, als sie das Licht im Studio schon gelöscht hatten, bemerkte einer von ihnen, dass hinten in der Ecke grüne Liechli blinken: Ohne, dass sie es gewusst hatten, war die ganze Zeit ein Tonband mitgelaufen. Lachend nahmen die Jungs die Spule aus dem Kasten, hörten sie am nächsten Morgen ab und wussten: Das ist es.

Wer von Krokus erwartet hatte, dass sie sich in einem Dritteljahrhundert musikalisch gross weiterentwickelt hätten, kann ebensogut darauf wetten, dass Polo Hofer das Rauchen aufgibt. Was schon in den Anfangszeiten, auf „To you all“, funktioniert hat, funktioniert auch heute, auf „Dirty Dynamite“ tiptopp. Im bewährten Viervierteltakt lassen es Chris von Rohr, Marc Storace (Gesang), Fernando von Arb (Gitarre und Gesang), Mark Kohler (Gitarre) und Mandy Maurer (Gitarre) dermassen chlöpfen und tätschen und rummsen und wummern, dass sich der Fan vor lauter Freudentränen ausserstande sieht, beim Zuhören die Songtexte nachzulesen (wobei: Wahnsinnig viel entgeht ihm nicht. Dominierendes Thema sind nach wie vor die Freuden und Leiden im Umgang mit Frauen. Anspieltipp für die „#aufschrei„-Fraktion: „Go baby go“).

Daneben geht es, wie von Rohr zusammenfasst, um „das Gewinnen, Verlieren, Jubilieren, Manipulieren, Dranbleiben, die Einsamkeit und darum, sich nichts gefallen zu lassen.“. Weitere Themen sind „miese Politiker und schlechter Fast Food, einsame Strassen, wildernde Katzen und flaue TV-Shows“.

Mit dem Vorwurf, der Kundschaft immer dasselbe zu bieten, kann der Krokus-Chef leben: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden“, findet der 61jährige, der in seiner Karriere 50 Gold- und Platinauszeichnungen gesammelt hat. „Das ganze überzüchtete Innovationsgeschwafel hat uns nie interessiert. Es muss einfach echt, dreckig, dringend rocken und nach Krokus klingen. That’s it!“

Die Fachwelt schluckt den Dreck mit Vergnügen: „Diese Platte stinkt nach Schweiss, Sex, Bier und kaltem Zigarettenrauch: Blues, Rock´n´Roll, Heavy Metal – alles da. Und dazu reihenweise Hits!“, jubelt das Fachblatt „Rock Hard“.

Dass der eine Hit – „Help“ – nicht auf dem Mist von Chris von Rohr und Fernando von Arb, sondern auf jenem von John Lennon und Paul McCartney gewachsen ist, ist wohl als kleine Verbeugung vor dem Umstand zu werten, dass Krokus „Dirty Dynamite“ in den Londoner Abbey Road-Studios aufnehmen konnten.

Genau dort, wo die wohl grösste Rock’n’Roll-Band aller Zeiten ihre Werke für die Ewigkeit schuf.

(Die Daten zur „Dirty Dynamite“-Tour finden sich hier.)

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