Fiesta mexicana

Die sonnige, fröhliche Musik passt nicht zu dem auf nobel getrimmten Festivalgelände in diesem heute recht graukalten Land. Die Klänge auf der Bühne harmonieren nur bedingt mit dem Temperament der Menschen vor ihr; diese sitzen zunächst einmal abwartend da und hören sich an, wie Julieta Venegas und ihre Band am letzten Abend des „Live at sunset“ auf der Dolder-Eisbahn über Zürich versuchen, eine Fröstelnacht in eine seelen- und herzerwärmende noche mexicana zu verwandeln.

Und die Bemühungen der zierlichen Frau mit den verschmitzten Augen werden belohnt: Ab der Hälfte des knapp zweistündigen Konzerts tauen die Leute auf. Sie wippen mit den Hüften, klatschen rhythmisch, singen jeden Ton mit und fahren am Ende mit strahlenden Gesichtern in die schlafende City hinunter.

Wie muss das erst zu- und hergehen, wenn Julieta Venegas in ihrer Heimat auftritt?

Etwas irritierend ist, dass einen immer wieder das Gefühl beschleicht, dass Julieta Venegas gar nicht auf eine grosse Bühne gehört; dass sie und ihre Musik die Gäste in einem verqualmten Lokal auf dem Land genauso mitreissen würden. Wie die Sängerin mit dem Publikum schäkert, wie sie sich artig nickend bei dem Helfer bedankt, der ihr regelmässig eine frische Tasse Tee bringt, wie sie selbstvergessen ein paar Tanzschrittchen macht, wenn sie gerade keinen Einsatz hat und sich – naja – unbeobachtet wähnt: Das hat nichts von einem grossen Star, der die vierfache Gewinnerin des Latino-Grammys in südlicheren Gefilden längst ist.

Diesen Status verdankt sie nicht „nur“ ihrer Persönlichkeit und ihrer fast beliebig modulierbaren Stimme, die sich bemerkenswerterweise erst richtig entfaltet, als sich die Fotografen nach den ersten drei Songs aus ihrem Schützengraben verkrümeln müssen; als Venegas sicher sein kann, dass sie jetzt nur noch für jene Menschen da ist, die sie und ihre Lieder mögen und lieben, und nicht auch noch für die, die ihr mit ihren riesigen Objektiven so gfürchig nahe kommen; als man unter sich ist und die Veranstaltung eine fast intime Note erhält.

Auch ihre Band imponiert: Sie besteht aus fünf bestens aufeinander eingespielten Multiinstrumentalisten. Der Gitarrist hantiert zwischendurch am Synthesizer, schnallt sich dann die Ukulele um und greift ein Stück später wieder in die Saiten des grossen Elektromodells. Der Querflötist spielt virtuos Keyboards, die eine Tastenfrau unterstützt bei Bedarf den Drummer, der Bassist singt die zweite Stimme. Venegas selber wechselt mit einer Leichtigkeit vom Piano zur Gitarre und zum Akkordeon, die all die als Sängerinnen getarnten Fotomodelle dieser Welt vor Neid ergrünen lassen müssten.

Julieta Venegas gehört aus unerfindlichen Gründen zu jenen Künstlerinnen, die den ganz grossen Durchbruch in Europa nicht geschafft haben; oder noch nicht. Das ist angesichts der Latino-Welle, die blondierte Brasilianerinnen mit Hits von der Stange seit Jahren über das Land schwappen lassen, kaum verständlich. Andrerseits: Man mag sich diese aufgestellte und ziemlich sicher weitgehend allürenfreie Südamerikanerin gar nicht in einem anonymen Riesenstadion vorstellen, in dem die Verpackung mehr zählt als der Inhalt.

Viel lieber würde man mit Julieta Venegas und ein paar Freunden eines wunderschön-lauwarmen Sommerabends chli im Garten plaudern, ihr zu vorgerückter Stunde – und auf ihren Wunsch – eine Gitarre bringen…und sich in den nächsten Stunden einfach in ihren Melodien versinken lassen.

 

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