Lebensfreude und Menschlichkeit gegen Gier nach Geld und Macht

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Ein bestens aufgelegtes Laienensemble, eine flotte Inszenierung (Stefan Meier), ein beeindruckendes Bühnenbild (Heinz Egger und Sabine Käch) plus tolle Kostüme (Christina Wenger): Die Theatergruppe Burgdorf überzeugt mit ihrer neusten Aufführung „Die Irre von Chaillot“ im Casino Theater.

Skrupellose Männer wollen Paris in die Luft sprengen. Sie vermuten Erdöl unter der Stadt und erhoffen sich davon Reichtum und Einfluss. Dagegen wehren sich eine Blumenverkäuferin, schrullige alte Damen, eine stumme Frau, ein Lumpensammler, ein Kellner, eine Sängerin, ein junger Mann, eine Küchenhilfe, ein Schuhbandverkäufer, ein Kanalisationsreiniger, ein Polizist und – allen voran – Comtesse Aurélie, die vermeintliche „Irre“, hinreissend verkörpert von Marie-Louise van Laer.

Zwei Stunden lang liefern sich Gut und Böse im Chaillot-Quartier an der Seine einen bisweilen sehr ernsthaft und manchmal mit humoristischen Mitteln geführten Kampf. Nach einer Gerichtsverhandlung, in der der Lumpensammler stellvertretend für die Spekulanten zum Tode verurteilt wird, triumphieren die Menschlichkeit und die Freude am Leben über das Streben nach Geld und Macht.

So einfach und nachvollziehbar sich die Geschichte auch liest: Ganz leicht fiel es mir nicht, der Handlung zu folgen. Die Rollen sind zwar klar verteilt. Die Art und Weise, wie die Menschen sprechen und handeln, lassen nie Zweifel an ihren Absichten aufkommen (ausser vielleicht, wenn der Lumpensammler für den Schauprozess auf einmal beängstigend überzeugend als Raffzahn auftritt).

Dass die Stumme wieder sprechen kann, sobald die Gefahr gebannt ist, leuchtet ein. Dass die Menschen im Quartier nach der Befreiung von allem Übel „L’oiseau et l’enfant“ singen – genau das Lie, das die gefühlskalten Besatzer nicht hören mochten – versteht sich von alleine.

Nur: Was hat das mit den imaginären Haustieren zu tun, über die sich die drei Seniorinnen lang und breit unterhalten? Wie passt das mit dem gspässigen Doktor zusammen, der kurz vor Schluss, wie einem Lehrbuch für Exhibitionisten entstiegen, in Boxershorts und Trenchcoat auftaucht? Und: Wieso wird die Comtesse als „Irre“ betitelt, wenn sie doch die einzige ist, die mit Raffinesse, Schalk und Durchsetzungsvermögen von Anfang an klarmacht, dass sie den Weg aus dieser beklemmenden Situation kennt? An ihrer extrovertierten Kleidung kanns nicht liegen: Im Vergleich zu ihren Mitstreiterinnen und -streitern fällt sie optisch weder auf noch ab.

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Diese und andere Verästelungen sind für jemanden, der sich literarisch nur rudimentär auf den Theaterbesuch vorbereitet und eine lupenreine Komödie erwartet hatte, verwirrend genug. Denn eine Komödie im eigentlichen Sinne hat Jean Giraudoux mit diesem Stück nicht geschrieben.

Wenn ich den Sinn der Sache nicht ganz erfasst habe, hat das möglicherweise aber noch einen ganz anderen Grund: „Die Irre von Chaillot“ ist nicht nur, aber auch eine satirisch gefärbte Absage an den Zynismus. Zuschauer, die selber zu Selbigem neigen, mögen Mühe damit bekunden, unversehens in einen Spiegel zu blicken und zu erkennen, dass vielleicht auch sie – rein hypothetisch, versteht sich – eher zu jenen gehören würden, die das Erdöl aus dem Boden holen wollen, als zu jenen, die alles auf ewig so belassen möchten, wie es seit jeher war.

Aber eben: Vielleicht war auch alles ganz anders gedacht.

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Weitere Aufführungen:

Samstag 22. Februar, 20 Uhr
Sonntag 23. Februar, 17 Uhr
Donnerstag 27. Februar, 20 Uhr
Samstag 1. März, 20 Uhr
Sonntag 2. März, 17 Uhr
Samstag 15. März, 20 Uhr
Sonntag 16. März, 17 Uhr

Vorverkauf:

Tourist Office am Bahnhof (058 327 50 92)
Buchhandlung am Kronenplatz (034 422 21 75)

(Bilder: zvg)

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