Viele Leute glauben ja, als Journalist habe man ohne Weiteres Zugang zu berühmten Mitmenschen. Doch die Annahme, es genüge, an einem Konzert oder einer beliebigen anderen Veranstaltung mit V.I.P.-Beteiligung mit dem Presseausweis zu wedeln, und schwupp: lasse der Promi freudestrahlend alles stehen und liegen, um sich mit einem zu unterhalten – diese Annahme, liebe Kinder, ist falsch. Auf Zuruf hin kommen nur zu Recht in der Versenkung verschwundene Ex-MusicStars, unentdeckte Möchtegernmodels und längst vergessene Vizemissen, die in ihrem Bekanntenkreis pausenlos erzählen, ganz viele spannende Projekte zu haben, aber nicht einmal mehr für Einweihungen von Autozentren gebucht werden.
Von ungleich grösserem Kaliber sind, zum Beispiel, Deep Purple. Die Mitbegründer des Hard Rock und Erfinder des berühmtesten Riffs aller Zeiten gastieren am 12. November in Europas Heavy Metal-Metropole Huttwil. Weil ich der Leserschaft über diesen Gig etwas mehr erzählen möchte als nur, welche Songs in welcher Reihenfolge gespielt wurden, bemühe ich mich seit Wochen um einen Interviewtermin mit der Band.
Allzu hoch sind die Ansprüche nicht. Ich habe nicht vor, mit Deep Purple einen Tag lang tiefschürfende Gespräche zu führen; ein Viertelstündchen Small-Talk genügt mir vollauf. Aber ohne Weiteres lassen sich die Briten diese 15 Minuten ihrer kostbaren Zeit nicht stehlen. Wieso sollten sie auch?
Der Annäherungsversuch erfolgt in mehreren Stufen. Zuerst muss man sich Zugang zur „Press“-Sektion auf der offiziellen Deep Purple-Homepage verschaffen. Das kann man, indem man den Webmaster mit Informationen über einen selber und das Medium, für das man schreibt, sendet oder filmt, füttert. Tage später erhält man einen Link zugeschickt. Über diesen gelangt man dann in die Medien-Abteilung. Dort findet man eine Mailadresse, an die man seinen Wunsch noch einmal senden kann. Wenn der Empfänger der Mail gut aufgelegt ist, leitet er das Anliegen ziemlich umgehend an die Plattenfirma der Band weiter. Bei der Plattenfirma wiederum kann es ein Weilchen dauern, bis der Antrag auf den Schreibtischen der Medienverantwortlichen erscheint; es ist ja nicht so, dass sich nur die BZ für Deep Purple interessieren würde. Ein Mitarbeiter der Pressestelle der Plattenfirma schreibt – oder auch nicht – einem irgendwann zurück, dass man die Bitte zur Kenntnis genommen habe und jetzt schaue, was sich machen lasse.
Soweit bin ich im Moment. Das Schöne daran ist: In dieser Warteschleife muss ich mir nicht endlos die Greatest Hits des Rondo Veneziano anhören, sondern kann mir die Zeit mit ungleich knackigeren Klängen vertreiben:
Falls das Interview zustande kommen sollte – woran ich nicht zweifle – wird es nicht ganz so verlaufen, wie man sich so ein Interview vielleicht vorstellt. Ich werde mit Ian Gillan, Glenn Hughes, Ian Paice, Don Airey und Steve Morse nicht erdnüsschenmampfend und an frischgepresstem Orangensaft nippend an einer schicken Hotelbar hängen und mit ihnen allerlei Schabernack treiben, sondern in einer mässig glamourösen Garderobe im Keller des Nationalen Sportzentrums in Huttwil höckeln. Ich werde sie fragen, wie das für sie, die schon in allen Riesenarenen auf diesem Erdball gespielt haben, so ist, hier und heute, in Huttwil; sie werden antworten, Switzerland im Allgemeinen und dieses Huttwil im Besonderen seien really fantastic. Nein, werden sie sagen: Von der Gegend hätten sie nichts gesehen. Aber sobald sie einmal privat im emmentalisch-oberaargauischen Grenzgebiet weilen würden, möchten sie sich Land und Leute genauer anschauen. An die Schweiz hätten sie nur beste Erinnerungen: Immerhin sei ihr allergrösster Hit damals, vor bald 40 Jahren, in Montreux entstanden, wo some stupid with a flare gun burned the place to the ground. In der Folge seien sie immer wieder gerne in the Land of Tschies and Tschogglitt zurückgekehrt. Doch, doch: Es sei wirklich a pleasure – auch und ganz besonders in diesem Huttwil.
Am Ende, wenn die Viertelstunde um ist, wird man sich artig die Hände schütteln und sich gegenseitig versichern, was für eine gefreute Sache dieses Gespräch jetzt doch gewesen sei. Dann steigt die Band auf die Bühne – und tut nach dieser ebenso freundlich wie routiniert absolvierten Pflichtübung, wofür sie bezahlt wird und was sie wirklich gerne tut: Aus dem Stand heraus eine vollbesetzte Halle zwei Stunden lang in Grund und Boden rocken.
(mit einem leicht wehmütigen Gruss an Keyboarder Jon Lord)
Nachtrag: Soeben habe ich die Zusage für ein Telefon-Interview mit einem der Musiker erhalten. Wunderbar!
Ein nicht alltägliches Bahnerlebnis hatte gestern Abend meine Facebook-Freundin Nathalie Oswald: Nachdem ihr Zug fast 20 Minuten im Bahnhof Freiburg stehengeblieben war, teilten die SBB mit, es gebe „technische Störungen“ und „eine Personalindisposition“.
Und dann sagte das Fräulein im Lautsprecher: „Wir suchen einen Lokführer, der den Zug nach Bern fährt.“
Sänger Jay Marsh stammt aus dem britischen Manchester, Basser Eddie Cairns wurde im japanischen Osaka geboren, Gitarrist Rikki Glover erblickte das Licht der Welt im südafrikanischen Cape Town und Schlagzeuger Dan Roth ist ein waschechter Burgdorfer: die in London stationierte Indie-Rockband Skinny Machines ist der beste Beweis dafür, wie Musik die Menschen über die Grenzen von Kontinenten hinweg verbindet.
In Burgdorf und Umgebung hat sich der flotte Vierer bereits einen soliden Ruf als musikalisch vielseitige und technisch hochklassige Kapelle erarbeitet. Zweimal verbrachte die Band heuer mehrere Wochen im Emmental, um „weit weg von den Lichtern der grossen Stadt“, wie Drummer Roth sagt, an den Songs für ihre erste CD „Wrong side of the river“ zu schleifen, die gegen Ende Jahr veröffentlicht werden soll. An über 20 Gigs in der Deutsch- und Westschweiz testeten die Männer von der Insel ihr Material vor Publikum auf dem Festland; das Gebotene wurde von der Zielgruppe, wie zum Teil enthusiastischen Reaktionen in Onlineforen zeigten, für gut bis sehr gut befunden.
Ein halbes Jahr nach diesen Probegalopps gilt es für das ambitionierte Quartett – es fährt jeweils mit einem alten VW-Bus nach Kontinentaleuropa – nun erneut Ernst: Am 2. Oktober starten Skinny Machines im Burgdorfer Kulturkeller Alpina zu einer weiteren Tournee. Am 28. Oktober steht mit dem Konzert im Café Anna ein zweites Gastspiel in Roths Heimatstadt auf dem Programm; wer Anfang März beim ersten akustischen Skinny-Auftritt in der Burgdorfer Altstadt im Publikum sass, wird sich mit Freuden an einen musikalisch und stimmungsmässig keine Wünsche offen lassenden Abend in einer dafür wie geschaffenen Beiz erinnern.
Auf ihrer Spätsommerreise durch die halbe Deutschschweiz haben die Musiker eine auf 1000 Stück limitierte Auflage ihre ersten CD im Gepäck, die nur bei Liveauftritten verkauft wird.
Doch „lediglich“ zum Konzertieren und Fonduessen kehren Skinny Machines nicht in die Schweiz zurück. Zwischen den Konzerten schreiben sie an ihrem zweiten Album, noch bevor das erste erschienen ist.
Der Tourneeplan:
2. Oktober: Alpina, Burgdorf
7. Oktober: Dorfkeller, Einsiedeln
8. Oktober: Mainstation, Chur
9. Oktober: Kickdown Bar, Brienz
10. Oktober: Kreuz, Nidau
15. Oktober: Penny Farthing, Kriens
16. Oktober: Cotton Club, Gerlafingen
21. Oktober: Blue Lamp, Luzern
22. Oktober: Penny Farthing, Aarau
23. Oktober: Caverne, Interlaken
28. Oktober: Café Anna, Burgdorf
29. Oktober: The Bandits, Tuggen
30. Oktober: Alperösli, Thun
Wer keine Gelegenheit hat, die Band in der Schweiz zu sehen – siehe rechts auf dem Flyer: