Eiger, Magronen und Frau Schär

Natacha haben wir verpasst, The Baseballs spielten gerade den letzten Song, als wir aufs Gelände kamen, Foreigner sahen und hörten wir nur von Weitem, Amy Macdonald lieferte uns die Hintergrundmusik für eine angeregte Plauderei.

Abgesehen davon gibts zum Snowpenair 2010 eigentlich nicht viel zu sagen, ausser:

– Die Kulisse ist tatsächlich einzigartigatemberaubendunbeschreiblichgigantisch. Als ich vor zehn Jahren das letzte Mal am Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau war, schneite es dermassen, dass mein Brüetsch und ich kaum auf die Bühne mit Deep Purple drauf sahen, obwohl wir direkt davorstanden. Jetzt aber, bei Sonnenschein: Wow!

– An keinem Openair der Welt gibt es bessere Bratwürste mit Rösti als am Snowpenair. Leckerere Älpermagronen werden ebenfalls nirgendwo serviert (und wenn: ganz bestimmt nicht so zügig und freundlich). Günstigere Band-T-Shirts kann man lange woanders suchen, ohne fündig zu werden.

Natacha (Alter streng geheim; es dürfte gegen die 50 zugehen) tut immer noch, als ob sie ein Megastar wäre, obwohl es dafür kaum Gründe gibt. Wie Frau Schär aus Ersigen in ihrer langen, schwarzen Skijacke und mit einer „Hey-ich-bin-berühmt-und-tue-nur-so-als-ob-ich-nicht-erkannt-werden-möchte“-Sonnenbrille im auf jung gestrichenen Gesicht durchs Publikum spazierte in der vergeblichen Hoffnung, um ein Autogramm gebeten zu werden: das hatte schon fast etwas Tragisches.

– Für Foreigner ist die Zeit der ganz grossen Stadien schon seit einem geraumen Weilchen und vor allem seit dem Ausstieg ihres an einem Gehirntumor erkrankten Frontmanns Lou Gramm zwar vorbei. Obwohl (oder gerade weil) sie nun schon seit 34 Jahren Rock-Geschichte schreiben, gelingt es den bemerkenswert würdig gealterten Herren aber problemlos, manchen Möchtegernnachfolgern zu zeigen, wo Bartli den Most holt.

– Grosse Menschenansammlungen sind eher nichts für Amy Macdonald. Natürlich: Sie hat eine tolle Stimme. Sicher: Sie komponiert eingängige Songs. Und ja: Sie verfügt über eine handwerklich einwandfreie Begleitband. Aber irgendwie fehlt der völlig zu Recht hochgelobten Schottin das letzte Quentchen Charisma, um Zigtausende von Menschen anderthalb Stunden lang zu faszinieren. In einem kleineren Rahmen – zum Beispiel in einer Beiz oder in einem Club mit höchstens 300 Gästen – würde sie ungleich mehr Wirkung entfalten. Andrerseits: Ihre Plattenfirma schmiedet das Eisen nicht ganz unverständlicherweise, solange es heiss ist, und zwar vor möglichst vielen potenziellen Kunden auf einmal. Dass es dabei vorzeitig verglüht, nehmen die Manager in Kauf; es sitzt ja hinter jedem Busch eine junge Frau mit einer Gitarre in der Hand und der Hoffnung im Herzen, „die neue Amy“ zu werden (ob Macdonald oder Winehouse, spielt keine Rolle. Hauptsache:  berühmt).

Weiter bemerkenswert ist:

– Simon Amman nimmt sich selber tatsächlich nicht sooo ernst, wie ihn andere Leute zu nehmen glauben müssen: Der mehrfache Skisprung-Olympiasieger mischte sich lieber unters gewöhnliche Volk, als den Nachmittag beim Cüplischwenken im VIP-Zelt zu verlauern.

– An Rockkonzerten hats bald mehr Fotografen als Fans. Auch am Snowpenair 2010 stapften Rudel von unglaublich wichtigen Leuten mit Medien-Badges am Hals und riesigen Kameras in der Hand durch die Gegend. Mit etwas müssen die ganzen Online-Portale ja abgefüllt werden; und wenns immer nur die selben People-Föteli sind, die irgendwelche Sabrinas mit ihrem neuen Lover Sven zeigen.

– Es ist für Leute, die keinen Alkohol trinken, immer wieder erstaunlich zu beobachten, welche Mengen von Bier und Schnaps an so einem Event hinter x Binden gekippt werden. Das wäre ein interessantes Experiment: Am Snowpenair oder auf dem Gurten oder am Greenfield-Festival (dort ganz besonders!) ohne Vorankündigung keinen Alk auszuschenken und dann einfach einmal zu schauen, was passiert.

Schwarz auf Gelb

Im Kurtheater Baden hängt dieses Plakat:

Die Frage ist: Wie reagiert man politisch korrekt, wenn man das sieht?

Empört?

Entsetzt?

Schockiert?

Oder darf man – ganz verstohlen und nur, wenn niemand in der Nähe ist – kurz schmunzeln, ohne gleich als Rassist abgestempelt zu werden?

„Keine Ahnung“

„Es ist für uns oft ein Problem, Beobachtungen wie die Ihre zu deuten. In
Fällen, wo das gelingt, findet sich meist eine triviale Erklärung. Wie sie
selber schreiben, regnete es während ihrer Beobachtung. Astronomen pflegen
dem Himmel bei solchem Wetter keine Beachtung zu schenken, weshalb wir auch
nichts gesehen und gehört haben. Es handelt sich sicher um ein sehr lokales
Phänomen. Der langen Rede kurzer Sinn: wir haben keine Ahnung.“

Tja. Das ist nicht unbedingt die Experten-Antwort, auf die ich gehofft hatte. Wenn Roman Gubser von der Urania-Sternwarte in Zürich auf meine Mail geschrieben hätte, jawoll, das seien Meteoriten gewesen, die man nur alle 104 000 Jahre einmal zu sehen bekomme und wenn, dann auch nur mit extrem viel Glück, oder es habe sich um ein Phänomen gehandelt, um das sich ab sofort die Nasa kümmere, oder: „Ups: Unsere Abklärungen haben ergeben, dass Ihnen die erste echte Ufo-Beobachtung aller Zeiten gelungen ist. Wir gratulieren herzlich und wünschen Ihnen weiterhin einen schönen Tag“: ok. Damit hätte sich vielleicht etwas anfangen lassen.

Aber „wir haben keine Ahnung“ : Das klingt irgendwie schon ein wenig ernüchternd.

Nachtrag: Auch Hugo Jost von der Jura-Sternwarte in Grenchen hat inzwischen geantwortet. Er schreibt, bei den Kugeln könne es sich „praktisch nur um Wetterballone gehandelt haben“. Diese würden bis 30 Kilometer hoch fliegen. Dadurch sei „das Licht sehr ruhig“. Die Windrichtung am Boden spiele keine Rolle, „da der Wind in grosser Höhe völlig anders ist“.

Nachtrag II: Es melden sich Zeugen.

Nachtrag III: Der Fall ist gelöst.

Nach all diesen Jahren

Irgendwann wurde die Rockband des Mannes so gross, dass er kaum noch dazu kam, sich um seine Frau und die Kinder zu kümmern. Die Musiker absolvierten monatelange Tourneen rund um den Erdball, verbrachten ungezählte Wochen im Studio und nahmen, um die gigantische Maschine am Laufen zu halten, Pressetermine in den entlegendsten Ländern wahr.

Statt in dem Haus, das er und seine Frau damals miteinander gebaut hatten, schlief er – womöglich nicht immer alleine – in Hotels. Und statt Abends zu pflegen, was normale Menschen „Familienleben“ nennen, stand er zehntausend Kilometer vom heimischen Tisch und Bett entfernt auf der Bühne und machte Abend für Abend andere Menschen glücklich als jene, die ihn am meisten vermissten.  

Natürlich: Das war und ist sein Job. Und ja: Er verdient damit ziemlich viel Geld.

Aber eines Tages fand er, es sei jetzt Zeit, um seiner Frau einmal Danke dafür zu sagen, dass sie in all diesen Jahren immer zu ihm gehalten hat. Und schrieb für sie eines der schönsten Lieder aller Zeiten:

„A faded wedding photograph
You and me in our first dance
Our eyes are closed
We’re lost in one sweet embrace
Since those days the world has changed
But our love remains the same
God knows we’ve had our share of saving grace

And I’m proud of all the blessings
You have given me
The mountains we have climbed to get this far
You’ve learned to take the laughter with the tears
After all these years

You make it feel brand new
After the fires that we walked through
Against the odds we never lost our faith

In our house we’ve made our home
Where our children all have grown
Precious moments time cannot erase

Make a living up and down the gypsy highways
Seasons that we’ve had to share apart
Somehow in my heart I always keep you near me
After all these years

After all these years
You stood by me
The days and nights that I was gone
After all these years
You sacrificed, believed in me
And you stood strong
Cause with our love there’s nothing left to fear
After all these years

After all these years
You stood by me
The days and nights that I was gone
After all these years
You’ve sacrificed, believed in me
And you stood strong
Cause with our love there’s nothing left to fear
After all these years.“