Lange Fahrt und kurze Weile

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Das werde ein bisschen dauern, sagte der Taxifahrer, nachdem wir im Flughafen Heathrow in seinen Wagen gestiegen waren, und ihm gesagt hatten, wir würden gerne zu unserem Hotel im Londoner Stadtteil Euston gefahren werden.

Kein Problem, antworteten wir, und machten es uns im Fond des schwarzen Cab bequem.

Kaum hatten wir das Airoportgelände hinter uns gelassen, fragte der Fahrer, woher wir kommen, worauf wir antworten, „from Switzerland“, und anfügten, aus der Nähe from Berne, was er mit einem „Ah! Switzerland!“ quittierte; da fliege er hin, im Juni, um mit seiner Frau in Zermatt den 30. Hochzeitstag zu feiern, wobei: es müsse auch nicht unbedingt Zermatt sein, ob es in der Schweiz noch andere schöne Orte gebe.

Sicher, sagte meine Frau: Das Bernese Oberland zum Beispiel sei ebenfalls wunderbar, mit all den Bergen und dem Schnee und allem. Interessiert hörte der Fahrer zu. Dann war das Thema „Hochzeitstag“ fürs Erste durch, aber still wurde es im Taxi trotzdem nicht, denn an einer Kreuzung erblickten wir zig Fussballfans, die auf dem Weg zum Aufstiegsspiel zwischen Crystal Palace und xx waren.

Bei uns in der Schweiz, erklärten wir dem Fahrer, habe es nach dem letzten Cupfinal Ausschreitungen zwischen „Fans“ der beteiligten Mannschaften gegeben, und am Wochenende seit mitten im schönen Berne eine andere Veranstaltung wüst eskaliert.

In der Folge diskutierten wir die Auswirkungen des Alkohols auf die Gemütsverfassungen der Menschen, und unserer Fahrer berichtete bei dieser Gelegenheit, er trinke schon lange nichts Promillehaltiges mehr. Seine Frau halte sich von Wein und Bier fern, weil sie schon nach den ersten Schlucken einzunicken pflege, und eines Tages habe es halt auch ihm keinen Spass mehr gemacht, vor einem halbleeren Glas und neben einer tiefschlafenden Gattin zu sitzen. Jetzt gönne er sich lieber a cup of tea, lachte der Mann.

So ging das, bis zu unserem Hotel. Das Leben als Taxifahrer, ehemalige US-Präsidenten oder die wohltuende Wirkung von Grünanlagen in Grosstädten: Es gab praktisch nichts, war wir nicht besprochen hätten.

Am Ziel angelangt, rundete ich den fälligen Betrag vor lauter Freude über diese ebenso freundliche wie kurzweilige Unterhaltung auf den nächsten Zehner auf, worauf der Fahrer fast ein bisschen rot wurde, weil es ohnehin schon peinlich gewesen war, uns den Preis zu nennen.

Natürlich, dachte ich, als ich meinen Rucksack im Zimmer deponierte: Dieser Mann plaudert wohl mit allen Gästen über alles Mögliche. Wahrscheinlich brauchen wir uns gar nicht soviel einzubilden darauf, dass er uns einen kleinen Teil seiner zweifellos sehr umfangreichen Lebensgeschichte erzählt hat. Ziemlich sicher gibt er jedem, der hinter ihm Platz nimmt, das Gefühl, ein ganz besonderer Kunde zu sein.

Wahrscheinlich hat der Mann nur seinen Job gemacht, sagte ich mir. Aber wie er das getan hat: Das war erstklassig.

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