Elektroukulelen mit Blattspinat

Bei strahlendem Sonnenschein entstiegen die Neuen gestern Nachmittag dem Car, der sie vom Flughafen zum Hotel gebracht hatte. Als sie heute Morgen aus dem Fenster guckten, mussten sie jedoch zur Kenntnis nehmen, dass es auch mitten auf den Kanaren regnen und kühl sein kann.

Statt am Pool zu dösen, am Strand zu sünnele oder mit dem Jeep zu den Kamelen zu safahren hiess es für sie: erstmal ausgiebigst zmörgele mit allem, was sie zuhause nie essen würden (Cipollata mit weissen Bohnen an Tomatensauce zum Beispiel samt Blattspinat und Rührei und einem Kiwisaft plus Schoggigipfel oder sonst etwas traditionell Spanisches) und dann, 13 Tage vor der Rückreise, die langen Hosen und Hoodies aus den eben im Schrank verstauten Koffern zu kramen und sich im überdachten Openairbeizli ein windgeschütztes Eggeli zu suchen, in dem sie sich für den Rest des Tages eher unterbegeistert Tätigkeiten hingaben, die sich als Zeittotschläger schon während der Lockdowns I und II bewährt hatten: der Lektüre eines „guten Buches“ (Charlotte Link) und dem Trunke (Serwessa für ihn, Moschito für sie).

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Überhaupt, die Lockdowns: Je länger sie zurückliegen, desto wehmütiger denke ich an die Monate zurück, in denen man all die Verhaltensauffälligen, die einem schon aus 150 Metern Distanz die Fremdschamesröte ins Gesicht treiben, sicher in deren eigenen vier und mehr Wänden verwahrt wusste.

Jetzt, wo die Coronaregeln zäntume aufgehoben wurden, kommen sie rudelweise aus ihren allviertelstündlich durchgelüfteten Löchern in England, Österreich, Schottland, Holland, Deutschland, Irland und – ja – der Schweiz gekrochen, um die grosse neue Freiheit zu geniessen und auszuleben, was sie unter „Normalität“ verstehen.

Aber gut: Wegen ihnen geht das Abendland nicht unter, und falls doch, hat es es halt nicht anders verdient. Dann legen wir uns, in lustige T Shirts

gewandet, eben mit in die Gruft, in der sich schon die alten Römer stapeln, und singen miteinander „I hätt no viu blöder ta„.

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Für jene Leserinnen und Leser, dies mehr mit guter Musik haben – hier sind drei nigelnagelneue Alben, die ich dringend zum Kauf oder zumindest zum Durchhören empfehle:

John Mayalls „The sun is shinging down“ dürfte – trotz des gelegentlichen Einsatzes einer Elektroukulele; was es nicht alles gibt! – einer der letzten grossen Würfe des Meisters aller Bluesrockklassen sein.

Bryan Adams‘ „So happy it hurts“ hält exakt, was der Titel verspricht und ermöglicht für wenig Geld eine gedanklich-emotionale Zeitreise in die glorreichen und sorgenarmen 80er des vergangenen Jahrhunderts (was sage ich: -tausends!).

Marillions „An hour before it’s dark“

ist einfach wunderschön; auch bei Tagesanbruch oder sonstwann.

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Wenn der Hotelmanager aus seinem freien Wochenende zurückkehrt und einen fragt, ob es mit der Gaschtig „irgendwelche besonderen Vorkommnisse“ gegeben habe, kann man sich fragen, ob man vielleicht scho chly lange hier sei, oder sich mit ihm über eine Festanstellung unterhalten.

Weil ich an meinem Budeli nach wie vor schwer den Plausch habe, trifft es sich so betrachtet ganz gut, dass der Abschied von der Homeoffinsel tatsächlich naht. Am Freitag um 15.40 Uhr landet meine Edelweiss-Maschine mit der Flugnummer LX 8201 in Zürich-Kloten. Gegen 16 Uhr schlurfe ich mit meinen Habseligkeiten am „Nichts zu verzollen/Rien à déclarer“-Schild vorbei in die Ankunftshalle (aber nein: es braucht mich wirklich niemand abzuholen), und schon zweieinhalb Stunden später höckle ich mit oberlässigen Menschen bei einem oberfeinen Znacht in einem obergemütlichen Restaurant.

In dem Zimmer, in dem ich gerade schreibe, hat sich bis dann jemand anders eingenistet. Er oder sie wird nie erfahren (oder sich auch nur peripher dafür interessieren), wer in den letzten zwei Monaten in seiner oder ihrer Unterkunft hauste und was diese Person hier tagein und -aus machte.

Das ist, irgendwie, kein völlig unseltsamer Gedanke. Aber vor allem einer, der aufs Schönste zeigt, dass die Chinesen mit ihrem Panda Rei schon richtig liegen.

Der Lockdown-Gedenksong

Irgendwie wars halt schon eine unbeschwerte Zeit damals, vor zwei Jahren (schon!), als man auf einmal wochenlang nicht nur nichts mehr tun musste, sondern nichts mehr tun durfte.

Jedenfalls: Wenn ich zwischen der neuen Wirklichkeit, die uns damals überraschte, und jener, mit welcher wir uns heute zu arrangieren versuchen, wählen dürfte: Ich wüsste, welche ich nähme.

Nur keine Panik

„Jetzt wird es ernst.“

„Ich halte es für wahrscheinlich, dass Putin Nuklearwaffen einsetzt, wenn dieser Krieg komplett eskaliert. Es gibt ein Risiko, und dieses Risiko nimmt zu. Die Konsequenzen wären katastrophal, nicht nur für die Ukraine, sondern für die ganze Welt.“

„Es ist schwierig, das alles zu beurteilen, weil uns die Details rund um den Umgang Russlands mit seinen Atomwaffen nicht bekannt sind.“

„Ich will keine Panik schüren.“


(Wie auch schon gesagt: Gut, gibt es zum Krieg in der Ukraine immer wieder erhellende Analysen von Fachleuten. Diesmal ist Friedensnobelpreisträgerin Beatrice Fihn mit Einordnen dran. Das Interview liegt hinter der Bezahlschranke.)

Rüffel aus Kalifornien

Dieses Bild hat nicht das Geringste mit dem Text darunter zu tun. Es ist nur da, damit ich den Beitrag auf Facebook stellen kann, ohne, dass sich jemand diskrimiert fühlen muss.

Verblüffend regelmässig schreiben mir Frauen – meist aus Osteuropa, gelegentlich aber auch aus Amerika oder China – dass sie mich treffen möchten.

Akuten Handlungsbedarf verspüre ich nie. Deshalb lege ich ihre Zuschriften am selben Ort ab, wo ich auch die Angebote von wohlwollenden Mitmenschen aus Nigeria deponiere, die mir gegen ein kleines Entgelt das Erbe ihrer bei Flugzeugabstürzen ums Leben gekommenen Onkels vermachen wollen.

Als ich vor zwei Wochen wieder solche Post erhielt

dachte ich, sooli, und stellte die Mails auf Facebook. Dazu schrieb ich:

„Hallo, Marilyn,
hallo, Beryl

Danke für eure Anfragen. Selbstverständlich gelten für euch dieselben Regeln wie für alle anderen. Das heisst: Wer mir am Telefon eher das ‚Totemügerli‘ aufsagt, kommt in die nächste Runde. Dafür haben sich schon Janice, Bree, Mariella, Adrienne, Mandy und Vreni qualifiziert. Die dann wartende Aufgabe behalte ich noch für mich; als Stichwort muss ‚Alperose‘ genügen. Eine Bewerberin steigt mit einem kleinen Vorteil ins Viertelfinale, aber ich sage nicht, welche.“

Kaum war der Text samt den Bildern online, wurde er – von einer Frau – mit einem ???? kommentiert. Minuten später war er von der Seite verschwunden.

Mein erster Gedanke war: „Zensur“. Also wuchtete ich meine Trychle aus dem Schrank und drehte mit ihr, „Liberté! Liberté!“ brüllend, ein paar Runden um den Hotelpool. Die verblüfften Blicke der Umliegenden entgingen mir natürlich nicht, nur: Die Leute, die sich am Schwimmbecken in aller Unbeschwertheit medium garen lassen, haben ja keine Ahnung davon, wie es sich anfühlt, in einer Diktatur zu leben.

Dann überkam mich ein Verdacht: Wurde ich verraten? Sollte es unter meinen 600 handverlesenen „Freundinnen“ und „Freunden“ jemanden geben, der oder die den Beitrag als dermassen daneben empfunden haben könnte, dass er (oder sie) ihn Facebook meldete in der Hoffnung darauf, dass der Konzern ihn löschen würde?

Ich ging die Liste im Kopf durch und stiess auf zwei Verdächtige. Falls einer oder eine von ihnen tatsächlich für diese Aktion verantwortlich sein sollte, hätte es sich um einen Angriff auf mein ureigenstes Hoheitsgebiet gehandelt, der für ihn oder sie schlimme Konsequenzen haben könnte, wenn nicht sogar: haben müsste.

Nach etwelchem Nachdenken beschloss ich jedoch, von einem Gegenschlag abzusehen: Wer so humorfrei durchs Leben gehen muss, ist bestraft genug.

Nun – ich hatte die Sache schon fast vergessen – teilte mir Facebook mit, inwiefern ich mich gegenüber der Familie versündigt habe. Von „Sicherheitsverletzungen“ ist die Schreibe, und von „Betrug“.

Eine Nummer kleiner gehts für die Wächter über eine Community, die sich im Laufe der Jahre daran gewöhnt hat, dass die Welt aus herzigen Kätzchen und atemberaubenden Sonnenuntergängen besteht und dass es gegen sämtliche Unbilden des Daseins ein aufmunterndes Kalendersprüchli gibt, nicht:

Selbstverständlich, fügte Facebook an, könne ich diese Entscheidung anfechten. Allzugrosse Hoffnungen auf eine zügige Behandlung meines Rekurses soll ich mir allerdings nicht machen:

Ob das „Review-Team“ von sich aus eingeschritten oder aufgrund einer Beschwerde aus meiner Leserschaft aktiv geworden war, ist der Nachricht nicht zu entnehmen.

Ich habe aber gewisse Zweifel daran, dass es im kalifornischen Menlo Park sehr viele Leute gibt, die sich dafür interessieren, was ich auf Facebook treibe.

Wie nicht gewonnen, so zerronnen

Kleines Rätsel für zwischendurch: Von wem stammt diese Analyse?

„Sollte Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen können, dann hat er ihn verloren.“

a) Nina (Drittklässlerin)

b) Pesche (Freiheitstrychler)

c) Professor Albert Stahel (langjähriger Dozent für Strategische Studien an der Universität Zürich).

(Zur richtigen Antwort gehts hier entlang.)