In der Halbzeitpause des Super Bowl-Finals in Las Vegas ereignete sich offenbar Historisches: „Endlich“ habe es „mal Hip-Hop und Protest gegen Rassismus gegeben“, lobte die Berner Zeitung heute Morgen in ihrer Online-Ausgabe. „Altstars des Rap hätten (…) versucht nachzuholen, was in den letzten 30 Jahren verpasst wurde“.
Natürlich wollte ich mir sofort das dazugehörige Bilddokument ansehen – aber oha:
Als der „Tatort“ von gestern Abend zum ersten Mal ausgestrahlt wurde, war ich elf und Gerald Ford Präsident der USA. Mit der Concorde düste das erste Überschallflugzeug durch die Luft. Grossbritannien und Island beendeten den Kabeljaukrieg.
Schon nach wenigen Minuten fühlte ich mich, als ob ich durch ein Loch in der Zeit fallen würde: Ein Mann stand in einer Telefonkabine, in einem Restaurant wurde geraucht. Auf den Schreibtischen lagen Notizblöcke. Niemand sprach von einem „Profil“ oder davon, dass man „erstmal die DNA-Analyse abwarten“ müsse („und das kann dauern“).
Im Zentrum des Geschehens standen Italiener und Türken (oder kurz: „Itaker“, wie sich das ermittelnde Personal – das damals noch nicht so sozial verkrüppelt war wie manche Kommissarinnen und Kommissare von heute – ausdrückte), welche als „Gastarbeiter“ in einem Wohnheim lebten. Die wenigen Frauen, denen das Drehbuch Sprechrollen zugetraut hatte, servierten, kochten und übersetzten.
Die Geschichte floss mit der Trägheit flüssigen Honigs dahin. Schnelle Schnitte, abrupte Brüche, überraschende Wendungen, ausgeklügelte Licht- und Toneffekte: Was für die Filmschaffenden dieses Jahrtausends selbstverständlich ist, steckte 1976 noch nicht einmal in den Kinderschuhen.
Trotzdem (oder gerade deshalb) wirkte der Streifen in seiner gesellschaftlichen Antiquiertheit und mit all dem Zubehör, das längst aus unserem Alltag verschwunden ist, auf mich dermassen faszinierend, dass ich vor lauter Staunen gar nicht dazukam, der Handlung zu folgen, und deshalb immer noch nicht weiss, wer Francesco ermordete, und ob Murat und Eva amänd nicht doch wieder zueinanderfanden.
Erst gings in unserem Chat um „Imagine“. Wenn wir das Thema vertieft hätten, wärs schnell grundsätzlich geworden, aber Debatten um Geschmacksfragen bringen in der Regel ja herzlich wenig (vor allem, wenn von Anfang an feststeht, wer am Ende rechthaben wird????).
Trotzdem fand ich, ich könnte zuhanden der Nachwelt einmal die 100 schönsten Lieder aller Zeiten – alphabetisch nach Interpreten gebüschelt; nur Einfachnennungen möglich – bis und mit heute notieren. Vielleicht gibts in den nächsten Jahren noch die eine und andere Änderung. Dann würde ich die Liste selbstverständlich entsprechend anpassen.
„Schiinsch deheim z sii“, schrieb mir neulich eine Freundin (um Gerüchten vorzubeugen: eine, nicht meine), nachdem ich ihr mit einem Kurzfilm gezeigt hatte, wies in meinem Hotel aussieht. Auch wenn mein eigentliches Home da ist (und bleibt), wo dasCastle is – falsch liegt sie mit ihrer Vermutung nicht.
14 Wochen habe ich in nun schon als „remote worker“ vor der Küste Westafrikas verbracht. Bei einem Stromausfall würde ich mich in meiner Bleibe auf Zeit im Dunkeln zurechtfinden. Vom Direktor bis zu den Putzfrauen Facility Managerinnen kenne ich sämtliche Mitarbeitenden. Hin und wieder ergeben sich mit ihnen Gespräche, die zwei, drei Mü über das hinausgehen, was Hotelangestellte mit ihrer Kundschaft normalerweise besprechen:
Ich weiss, wo A baden geht, bin im Bilde über den Stand der sich nun schon über drei (in Worten: drei!) Jahre hinziehenden Umbauarbeiten am und im Haus von B, könnte das eine und andere Detail aus dem Leben der Familie C erzählen und wurde von D noch vor ihrem Chef darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie erwägt, sich beruflich neu zu orientieren.
Niemand macht ein Strichli, wenn ich mir in der Poolbar ein Kafi zapfe, und falls ich einen Extrawunsch an die Küche hätte – sagen wir: Wurstsalat – hiesse das, offene Türen nach Athen zu tragen, aber warum auch in den Wurstsalat schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
(Zwiebeln und Chnobli in Suppengemüse andünsten. Muscheln dazugeben, Lorbeerblatt reinlegen. Mit Weisswein oder Bouillon ablöschen und aufkochen. Auf mittlerer Hitze ein Viertelstündchen garen. Ein Sprutz Zitrone sowie Kräuter oder Pesto oder nichts drüber – und fertig.)
Wobei: Ich bin nicht naiv. Mir ist bewusst, dass sich die Leute nicht in erster Linie wegen meines unwiderstehlichen Charmes oder meiner wunderschönen grünen Augen (+41 76 537 74 84) so liebevoll um mich kümmern, sondern, weil ich sie dafür bezahle.
Trotzdem: Nicht einer von zig Gästen zu sein, die erst umständlich einchecken (die ID, die sie dabei überraschenderweise vorzeigen müssen, ist grundsätzlich 5 Minuten lang unauffindbar und wann wo das Zmorge serviert wird, für jeden Neuankömmling von höchster Wichtigkeit) und zwei Wochen später ratternden Rollkoffers wieder verschwinden, fühlt sich gut an.