Rose, Ring und Riesenfreuden

Ich weiss auch nicht, wieso ich dieses Video hier reinstelle. Ich bin sonst nicht der grosse Hiphop-Anhänger. Aber der Song, die Melodie, der Film dazu und überhaupt sind einfach zu gut, um einer breiten Öffentlichkeit vorenthalten zu werden.

Die letzten Tage waren, wie wir Australier sagen, „quite busy“: Mehr oder weniger alles stand – Überraschung! – im Zeichen von Weihnachten; jedenfalls für die meisten. Ich hatte noch anderes im Kopf und, vor allem: auf dem Herzen.

Vor Heiligabend besuchte Chantal ihre vife Grossmutter in den Blue Mountains. Dann wars mit der Ruhe vorbei: Praktisch ununterbrochen waren die Leute in den Shoppingcentern unterwegs, um sich mit Geschenken einzudecken. Das war insofern chli irritierend, als eine Woche zuvor noch alle versichert hatten, heuer ganz sicher keine Gschänkli zu posten.

Ich nutzte den Trubel, um – von meinem Schatz unbemerkt – meine Zukunft mit eben diesem Schatz zu regeln: Ich telefonierte mit Chantals Vater in Zürich, um bei ihm um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Anschliessend kaufte ich einen purpurenen Ring mit Diamantsplitterchen plus eine Rose.

Am Feier-Abend versammelten sich rund 40 und damit so gut wie alle von Chantals Verwandten im Garten unserer Gastfamilie.

Bevor es ans Auspacken der Geschenke ging, machte ich Chantal vor allen erst leicht erstaunten und dann immer breiter strahlenden Leuten auf Englisch – damit auch alle verstanden, worum es geht – den Heiratsantrag. Ich war kaum vor ihr auf die Knie gegangen, als ich schon wusste: alles ist gut! Chantal sagte leicht fassungslos, aber freudigstens Ja!

Ich versuche gerade, mich zu erinnern, wann ich jemals so glücklich war in meinem Leben; es fällt mir beim besten Willen nichts ein – auch wenn ich in diesem Jahr schon mehr als einmal dachte: wunderbarer gehts kaum noch.

Am 25. Dezember erholten wir uns bei einem von Chantals Cousins zwischen Einfamilienhäuschen und Busch


am Pool.

Heute entführten uns zwei ihrer Cousinen an die

Südküste

zum


Barbeque.

Mit vollen Mägen zügelten wir anschliessend an den Strand.

Alles andere als langsam und sicher, neigen sich unsere Ferien im Paradies ihrem Ende zu. Ab morgen reisen wir drei Tage lang mit einem Mietwagen in Richtung Süden. Dann…nun…steht noch Silvester auf dem Programm, eine grosse Privatparty in Palm Beach, das Packen – und schliesslich der Rückflug. Am Sonntag um 18.30 hebt unser Airbus – falls die Technik mitmacht – nach Singapur ab.

Am Dienstagmorgen landen wir in Zürich, meine zukünftige Ehefrau und ich.

Besuch aus dem Baum

Zu dieser mitternächtlichen Stunde sitzen Chantal und ihre Cousine Cat nochli im Garten und plaudern.

Auf einmal blitzt im Baum ein Augenpaar auf:

Das Opossum, von dem hier alle immer wieder reden und das wir noch nie gesehen haben, ist wach. Und es ist nicht alleine: Wenig später taucht eine etwas kamerascheuere zweite Beutelratte mit ihrem Jungen auf. Oliver, der Rottweiler, gibt sein Bestes, um seine Lieblingsfeinde zur Strecke zu bringen.

Doch seine Bemühungen sind umsonst: die nächtlichen Gäste trippeln, für den Hund unerreichbar, über den Zaun und verschwinden in der Nacht.

Viel später, als alle Lichter erloschen sind, kehrt die kleine Familie von ihrem Ausflug zurück. Die Bananenstücke, die ihnen Cat und Chantal hingelegt haben, nehmen Vater und Mutter Opossum mit in ihr Versteck hoch über den Häusern der Menschen.

(Die Bilder hat Chantal gemacht)

„Alles Gute!“ kommt von unten

Nur kurz, bevor mans in den verdunkelten Stuben im Schein der Kerzchen nicht mehr lesen kann: Chantal und ich wünschen unseren Familien, Freundinnen und Freunden, Arbeitskolleginnen und -kollegen sowie allen weiteren Verwandten, Bekannten und uns sonstwie Zugewandten von unserem Schattenplätzchen unter australischen Christbäumen aus wunderschöne Weihnachten und einen glatten Rutsch in ein aufgestelltes, aufstellendes, zwäges, zufriedenes und – vor allem! – gesundes neues Jahr.

(Das Bild hat Chantal am Strand von Rainbow Beach geschossen)

Waschtag

Oliver, der Rottweiler einer unserer Gastfamilien, freut sich tierisch aufs Gewaschenwerden:

Es dauert eine Weile – dann kapituliert er:

Alle sind happy. Nun ja: Fast alle:

Völlig ahnungslos

In der Schweiz lag viel Schnee, „Jeder Rappen zählt“ war ein Riesenerfolg und Jörg Kachelmann hat einen neuen Verteidiger: Was auf der nördlichen Halbkugel seit dem 27. November sonst noch passiert ist, weiss ich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie die Abstimmungen über die Ausschaffungs- und die Steuerinitiative ausgingen, wie sich die SCL Tigers schlagen, was Angela Merkel treibt, ob Nella Martinetti noch lebt, ob es irgendwelche Schwerverbrechen gab oder ob Firmen fusionierten.

Ich lese hier keine Zeitungen, weder auf Papier noch online. Bei unseren Gastgeberfamilien laufen zwar rund um die Uhr die Fernseher, doch mehr als kurze Fetzen aus Seifenopern bekomme ich nicht mit. Ich tappe wirtschaftlich, gesellschaftlich, sportlich, kulturell und politisch völlig ahnungslos durchs Leben – und hatte bisher keine Sekunde lang das Gefühl, dass mir etwas fehlen würde. Nicht einmal den „Spiegel“ vermisse ich; und dabei war ich in den Ferien immer der erste, der am Montagmorgen vor den Kiosken stand, um dieses Magazin zu posten und dann stundenlang bis auf die letzte Kurzmeldung zu studieren.

Ein Leben ohne Nachrichten – das gab es für mich bisher nicht. Hier, in Australien, ist es zur Selbstverständlichkeit geworden. Mit dem iPad könnte ich jederzeit durch zig Zeitungen surfen, Radios hören oder TV-Nachrichten gucken. Ich tus nicht.

Woran liegt das? An mir? An Australien? An den Medien? The answer, my friend, is blowin‘ in the wind, der gestern und vorgestern den Sand und das Salz von Sydney pustete und dann im Landesinneren verschwand.

Was zählt ist: Wir sind nach wie vor hier, im Paradies. Aber jedesmal, wenn ich erwache, scheint die Zeit ein wenig schneller vergangen zu sein. Es ist, als ob jemand über Nacht immer wieder das kleine Loch in der Sanduhr vergrössern würde.

Wer das tut und warum – das würde mich in diesem Moment, in dem ich in Shorts und T-Shirt im Garten vor dem Haus sitze und, von allerlei bunten Vögeln beobachtet, der Sonne beim Aufgehen zuschaue, wirklich interessieren.