Verkehrte Welt

Nach drei Tagen haben wir uns bereits daran gewöhnt, dass in Australien alles anders ist als auf der nördlichen Seite der Hemmis Hemnis Hemiss Haemi des Erdballs. Und wenn ich schreibe „alles“, meine ich“alles“:

Unter Promis

Wer nach Australien fliegt, stolpert allpott über Prominente.
In unserem Fall gings schon in Singapur los: Ein Flughafen-Sicherheitsbeamter hielt Chantal für Gwen Stefani. Erst, als ich ihm versicherte, dass es sich bei der jungen Frau mit no doubt um meinen Schatz handle, liess er uns durch die erste von grob geschätzten 48 Passkontrollen gehen.

(Frage am Rande: Würde der Beamte einen Talibankrieger erkennen, wenn er vor ihm stehen würde? Oder liesse er ihn mit den Worten „It’s ok, Mr Rebroff“ freundlich lächelnd in den Flieger steigen?)

In Sydney machte Natalie, eine von Chantals Cousinen, mit uns eine kleine Stadtrundfahrt. Erst gönnten wir uns

bei „Harry’s“,

wo schon zig Leute von mindestens Elton John-Kaliber eingekehrt sind, eine geschmacklich und optisch nicht uninteressante Fleischpampe in Blätterteig.

Dann erzählte unsere Führerin wie nebenbei, dass sie früher, in der Schauspielschule, in einen Typen verschossen gewesen sei, der von ihr jedoch nichts habe wissen wollen. Stattdessen habe er überall ein Bild von seiner spindeldürren und totenblassen Freundin Nicole, einer veritablen Zicke, herumgezeigt.

Jahre später heiratete diese Nicole nicht den hoffnungsfrohen Fotospienzler, sondern Tom Cruise. Chantals Cousine zeigte uns, wo Frau Kidmann wohnt, wenn sie nicht gerade Filme dreht: in einer Art Reihenhaus am Fluss. Das Boot, das sie seinerzeit mit Cruise gekauft hatte, liegt immer noch in Sydney vor Anker. Es heisst „Alibi“.

Ganz in der Nähe, in einem bungalowähnlichen Haus, lebt Russell Crowe. Leider war er genauso nicht daheim wie seine Kollegin Kidman. Offensichtlich hatte den beiden niemand gesagt, dass wir in der Stadt sind.

Aber gut ist es schon zu wissen, wo man anklopfen kann, wenn man später wieder einmal in Sydney weilt und sonst niemanden hat, bei dem man kurz auf einen Kaffee vorbeischauen und seine Kleider trocknen lassen darf.

Kängurus mit und ohne Steigeisen

Kurze Hosen und ein paar T-Shirts: mehr haben wir für unseren Australientrip nicht eingepackt. Ebenfalls mitgehört hätten: lange Hosen, Pullover, Pellerinen und Schirme.

Auch heute giesst es gradabe. Langsam fragen wir uns: Sind wir vorgestern wirklich in Sydney gelandet? Natürlich war der Flughafen so angeschrieben. Aber mit der heutigen Computertechnik…ich meine: Wenn es schon möglich ist, aus einer x-beliebigen Frau mit ein paar Photoshopklicks eine Titelbild-Schönheit zu machen, wirds wohl auch kein Problem sein, am Laptop einen ganzen Airport so zu manipulieren, dass alle Welt glaubt, er sei derjenige, welcher, obwohl er ganz woanders steht; an einem Ort, an den niemand hinwill.

Wir sind weiterhin im Haus von Chantals Tante Sylvie und lernen mehr oder weniger im Halbstundentakt neue Menschen kennen, die sich alle sehr freuen, die Cousine oder Coucousine oder was auch immer aus der Schweiz samt ihrem Mitbringsel zu sehen (Hinweis an meine Eltern, Geschwister, weiteren [Bald]-Verwandten und Arbeitskollegen: Die Australier und – yes! – die Australierinnen mögen mich sehrstens. Falls ich nicht zurückkehre, könnt ihr davon ausgehen, dass mich jemand adoptiert hat).

Gesehen haben wir trotzdem schon einiges. Heute Nachmittag zum Beispiel waren wir in Sydney auf dem Markt:

Bereits gestern bestaunten wir

einen Propeller.

Wenig später standen wir vor einem

Restaurant,

in dem vor ungefähr 20 Jahren ein Amokläufer mehr als ein Dutzend Menschen tötete, bevor er sich der absehbaren Strafverfolgung mit einem Schuss in den eigenen Kopf entzog.

Die Koalas und Kängurus und alle müssen also noch ein paar Tage auf uns warten. Ich mag nicht daran denken, wie es ihnen da draussen geht. Vermutlich sitzen sie inzwischen ganz oben auf ihren Bäumen – die Kängurus haben dafür ihre Not-Steigeisen montiert, wegen denen sie sich damals, als sie von ihrer Zivilschutzorganisation verteilt wurden, die Beutel hielten vor Lachen – und schauen mit angstgeweiteten Augen zu, wie das Wasser steigt und steigt, während unten die aufgequollenen Körper ihrer Liebsten vorbeitreiben, die sich vor der Flut nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten.

Aber item. Morgen gehen wir nach Sydney, ins megagigasuperdupergrosse Aquarium. Am Freitag kochen wir der ganzen Bande eine Paella. Am Samstag nimmt uns Chantals Cousin mit in ein Viertel voller Schwuler und Lesben und Musiker und Maler. Und dann…dann wirds langsam time to say goodbye. Dann mieten wir ein Auto und fahren der Ostküste entlang. Weitere Pläne haben wir keine.

Oder fast keine:

.

Am 15. Dezember sind wir so oder so zurück in Sydney, weil dann offenbar eine ziemlich grosse Party zu Chantals Geburi geplant ist.

Doch bis dann fliesst bestimmt noch viel, viel Wasser die Strasse vor unserem Haus hinunter.

Es war sonnig und heiss. Dann kamen wir.

Drei Stunden, nachdem wir am Montagabend

in Australien gelandet

waren, begann es in Sydney zu regnen.

Regen? Mitten im Hochsommer? Das mag die zwei Millionen Einwohner von Sydney erstaunen. Doch wer mich kennt, weiss: Es ist alles, wies sein muss: Wenn ich frei habe, schiffts. Wenn ich meine Ferien in der Sahara vebringe, siehts dort eine Woche später aus wie am Amazonas.

Ansonsten gibts aus Down under und der Reise dahin noch nicht soooo viel zu berichten. Der Hinflug verlief völlig unspektakulär, nachdem er mit zwei Stunden Verspätung zu verlaufen begann. Der Airbus, der uns von Zürich nach Singapur bringen sollte, hatte „technische Probleme“, wie das freundliche Fräulein im Flughafenlautsprecher sagte, und musste erst geflickt werden. In Singapur verpassten wir den geplanten Anschlussflug. Dafür sahen wir den

schönsten Christbaum der Welt

und

jede Menge Schmetterlinge.

Wir bekamen Plätze in einem anderen Airbus, der wegen – erraten – technischer Probleme ebenfalls ausserflugplanmässig in die Luft ging.

Der Pilot liess die Passagiere kurz vor dem Start wissen, dass offenbar mit einem Navigationssystem etwas nicht stimme. Das spiele jedoch keine Rolle; schliesslich habe ein Airbus drei solcher Systeme. Also flogen wir sieben Stunden lang von zwei statt drei Computern gelenkt übers Meer. Aber gut: In diesem Gebiet kann auch ein Navi vom Flohmarkt wenig anderes anzeigen als Australien.

In Sydney angekommen, wurden wir sehr herzlich von Chantals Tante Sylvie, ihrer Cousine Naughty Cat, ihrer Coucousine Niqui und Niquis Kollegin empfangen. Chantal und ich bezogen kurz unser Zimmer für eine Nacht in einem dieser heimeligen Flughafenhotels und hauten es dann mit den Eingeborenen in ein hippes Innenstadtviertel, in dem es fast ein bisschen aussieht wie in der Burgdorfer Oberstadt, nur völlig anders, und gönnten uns

eine halbe Schiffsladung Meerviecher.

Jetlagbedingt sassen wir heute schon um 6 Uhr beim Zmorge. Jetzt höcklen wir im Zimmer, gucken Sydney beim Nasswerden zu und warten auf Chantals Verwandte. Die Frau am Empfang und ein Chauffeur des Hotelbusses und sonst noch jemand sagten, laut dem Wetterbericht regne es wohl die ganze Woche. Alle versicherten, bis gestern Mittag sei es in Sydney wochenlang sonnig und heiss gewesen.

Irgendjemand wird den australischen Wetterfröschen schonend beibringen müssen, dass ich noch bis Anfang Januar im Land bin.

Noch husch, vor dem Abflug

Bevor ich mich am Sonntag in was auch immer für ein Flugzeug setze, um nach Australien zu verschwinden, muss ich noch kurz meinen Kopf und mein Herz ausmisten. Also:

Die besten drei CDs des Jahres 2010 sind:

Bruce Springsteen: „The promise
Kid Rock – „Born free
Steve Lukather – „All’s well that ends well

Die eindrücklichsten Konzerte boten

Toto in Locarno,
Mark Knopfler in Locarno und
Supertramp in Zürich.

Ausser Konkurrenz spielten Bäng-Gäng in Menziken um ihr Leben.

Das schönste Lied des Jahres 2010 ist „Indiana“ von Melissa Etheridge:

Politiker des Jahres 2010 ist der Uetendorfer Gemeindepräsident


Hannes Zaugg-Graf;

Politikerin des Jahres ist Burgdorfs Stapi

Elisabeth Zäch

(auf Begründungen muss ich aus Zeit- und Platzmangel verzichten; die beiden haben einfach gewonnen und Punkt.)

Die frisch Gekürte spielt, Zufall oder nicht, auch eine Rolle im Video des Jahres aus der Stadt des Jahres:

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Weiter: Den Vertipper des Jahres leistete sich eine Leserbriefschreiberin in der BZ, und zwar diesen hier:

Zum Tier des Jahres habe ich, unabhängig davon, die Riesenhamsterratte erkoren:

Die beste Krimiserie des Jahres? „Bones“:

Den Kniefall des Jahres machte mein Brüetsch vor seinem Schatz:

glanz & gloria vom 30.09.2010

Und wenn er schon auf der Bühne steht, kann er auch gleich noch den Preis für die sportliche Wahnsinnsleistung 2010 mitnehmen.

Die Ausstellung des Jahres war die spontan zustande gekommene Fotoinstallation

„Facebook als Footbook“.

Was noch?

Genau: Drei Fragen, die ich in diesem Jahr gerne beantwortet gehabt hätte, sind immer noch unbeantwortet, nämlich,

– wieso es heisst, „jemanden übervorteilen“, wenn man diesen jemanden doch benachteiligt,

– wieso man die Leute nicht aus den Zug steigen lässt, bevor man hineinsteigt und

– wie verzweifelt man und frau eigentlich sein muss, um bei solchen Raffzähnen from outer space anzurufen:

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Das Bild des Jahres hat, wie schon erwähnt, der bereits in einer anderen Kategorie siegreiche Hannes Zaugg komponiert:

Und schliesslich – die Erkenntnisse des Jahres 2010:

– Es gibt, vermutlich, keine Ufos und, offensichtlich, auch

– niemanden, der diesen Blog während meiner Abwesenheit hüten will (und kann: Von den 133 Bewerberinnen und Bewerbern vermochte keiner und keine hundertprozentig zu überzeugen, leiderleider).

In diesem Sinne: Machets guet – und auf Wiederschreiben und -lesen im 2011!