Einmal naher Osten und zurück (II)

Engi im Sernftal: Das sind 660 Einwohnerinnen und Einwohner, die Glarner Regionalbank, ein Autobetrieb, eine Frottierwarenfabrik, ein Holzbauunternehmen, eine mechanische Werkstatt, eine Gärtnerei, eine Spenglerei, ein Bau- und ein Bedachungsgeschäft, eine Kirche, deren Türmchenuhr immer 5 nach 11 anzeigt, einen Betrieb für Küchen- und Innenausbau, eine Bäckerei, ein Lädeli für alles, ein Hotel, vier Restaurants und ein schnuckelig-schickes Airbnb. Dieses haben wir heute gegen Mittag bezogen.

Seither bestaunen wir unter dem Sonnenschirm im Garten die steilen Felswände, die links und rechts des Dorfes in den wolkenlos blauen Himmel ragen, wobei: von den Felsen ist nichts zu sehen, weil diese Gegend ein einziger, riesiger Wald zu sein scheint. Zu hören ist nur das Zwitschern von Vögeln und hin und wieder das Kreischen einer Säge.

Es ist hier, kurz gesagt, obergemütlich. Wir fühlen uns ein bisschen, als ob wir durch ein Zeitloch in eine noch weitgehend unschuldige Vergangenheit gefallen wären.

Einmal naher Osten und zurück (I)

Wer mit seinem Schatz in die Ostschweiz fährt, um mit ihm/ihr seinen/ihren Heimatort zu besuchen, muss erst klären, wie die Mehrzahl von „Heimat“ lautet. Sagt man, „komm, wir sehen uns mal unsere Heimaten an“? Oder „unsere Heimats“? Oder „unsere Heimatien“?

Niemand weiss es, und drum fährt man am besten einfach los, und legt, damit man bei der aktuellen Hitze nicht schon auf der ersten Etappe kopu kapitu kollabiert, relativ kurz nach dem Start einen ersten Zwischenhalt ein; zum Beispiel in Rapperswil am Zürisee.

Rapperswil bestand für mich bis heute Mittag aus der Familie Knie, deren Kinderzoo plus einer Hockeymannschaft. Nun weiss ich: Die Stadt strotzt nur so vor lauschigen Eggeli, schmucken Gässchen und blumigen Flächen.

Als geradezu sensationell mussdarf das gastronomische Angebot an der Seepromenade bezeichnet werden: Ob Fleisch oder Fisch – es kommt alles wohlstschmeckend zubereitet und grosszügigst portioniert auf die Teller.

Wer Glück hat, kann beim Schiffsteg einem jungen Artisten beim Balancieren, Jonglieren und Feuerspeien zugucken, und spätestens dann wähnt man sich nicht mehr in einer Schweizer Stadt, sondern in einem x-beliebigen Dörfchen im Mittelmeerraum, in dem die Zeit keine Rolle spielt.

Woke bis zum Sexzess

„Exzess“ und „Mötley Crüe“: das sind seit Jahrzehnten Synonyme (lese oder siehe auch „The Dirt“ als Buch oder Film).

Wenn der Schlagzeuger der Band während des Konzerts in Thun die «F***ing swiss girls» dazu aufforderte, ihre «F***ing swiss titties» zu zeigen, wie der Korrespondent der Berner Zeitung rapportiert, hatte das mit „Sexismus“ – den er klickbringend schon im Titel beklagt – nicht das Geringste zu tun.

Das war für die Fans courant normal. Und wurde von den angesprochenen Frauen offenkundig auch nicht als unangenehm empfunden. Anders liesse sich kaum erklären, dass „etliche von ihnen artig taten“, worum der Drummer sie gebeten hatte – „stadionweite Grossaufnahme inklusive“.

Eine gut gealterte Rock’n’Roll-Band feiert mit ihren Fans das Rock’n‘-Roll-Leben. Aber statt dass „man“ sich darüber freut, dass in solch unsicher-bedrohlichen Zeiten diese (und viele andere) Musiker feste Werte im Dasein von zahllosen Jungen und Junggebliebenen verkörpern, bezichtigt man sie erst, triefend vor Wokeness, der Frauenverachtung.

Wenige Abschnitte weiter muss „man“ dann einräumen, dass die weiblichen Gäste ihre T-Shirts nicht lüpften, weil jemand sie mit vorgehaltener Waffe oder irgendwelchen Karriereversprechungen dazu genötigt hätte, sondern ganz und gar freiwillig; aus purem Spass.

Das ist kaum (noch) zu fassen. Das darf doch nicht (mehr) wahr sein.

Also: voll drauf mit der Moralkeule.

(War mag und dafür zu zahlen bereit ist, kann den ganzen Artikel hier lesen.)

Kleines Teilchen, grosser Aufwand

Jeden Morgen schleppe ich (oder, wenn ich nicht daheim bin, meine Nachbarin Susanne) mit einer grossen Kanne 30 bis 40 Liter Wasser auf den Balkon, um die Pflanzen zu giessen.

Das, sagte Susanne neulich, ginge amänd auch einfacher. Dafür benötige ich lediglich einen Gartenschlauch plus ein Verbindungsstück, mit dem sich selbiger an den Hahn in der Küche anschliessen lässt.

Ich fragte mich kurz, wieso ich nicht längst selber auf diese Idee gekommen war, und machte mich an die Realisierung des Projekts. Beim Kauf wollte ich auf Anhieb alles richtig machen.

Nichts lag mir ferner, als mich bei dieser Sommerhitze zigmal ins Fachgeschäft zu bemühen, bis ich das Passende habe. Deshalb montierte ich den Strahlregler – oder „Perlator“, wie wir Sanitärfachleute sagen – ab und fotografierte ich die komplette Anlage.

Dann begab ich mich ins örtliche „Do it+ Garten“-Geschäft in Burgdorf. Nachdem ich die Verkäuferin über mein Begehr unterrichtet hatte, schritt sie zielstrebig zu einem Gestell.

Sie wuchtete einen Schlauch aus dem Regal und legte ein kleines Päckli mit einem Plastikteil obendrauf. Damit, verkündete sie, hätte ich schon alles, was ich benötige. Ich ging zur Kasse, bezahlte knapp 60 Franken und fuhr heiteren Gemüts nach Hause.

Dort stellte ich fest: Der Anschluss passte nicht. So sehr ich auch hebelte und chnübelte: er liess sich nicht auf den Wassserhahn schrauben. Er war, schien mir, ein kleines bisschen zu gross, aber andererseits: ich hatte der Verkäuferin ja gezeigt, was ich brauche.

Eine Viertelstunde später stand ich mit dem soeben erstandenen Schlauchverbinder erneut vor der Verkäuferin. Sie schaute ihn sich von allen Seiten an und zog dann einen winzigen Plasticring heraus. Jetzt sollte es funktionieren, sagte sie.

Zuhause merkte ich, nur mässig überrascht: es funktionierte nicht, und begab mich zum dritten Mal in den Laden. Die Verkäuferin studierte die Gebrauchsansweisung auf der Verpackung und sagte schliesslich, vermutlich sei das Teil gar nicht für den Wasserhahn in der Küche gebaut. Ich soll es doch mit jenem im Badezimmer versuchen.

Eine weitere halbe Stunde später standen die Verkäuferin und ich uns erneut gegenüber, weil der Anschluss mit dem Hahn im Bad genausowenig kompatibel war wie mit jenem in der Küche.

Das tue ihr sehr leid, beteuerte die Verkäuferin. Auf meine Frage, was „wir“ jetzt machen sollen, wusste sie keine Antwort. Dieses Teil hier sei das einzige, das sie hätten, und eigentlich passe das immer, beteuerte sie.

An der Kasse gab ich den ganzen Plunder samt dem Schlauch zurück. Heute nehme ich einen neuen Anlauf, im Coop Bau+Hobby Jumbo-Center in Lyssach.

Es ist schon erstaunlich: Vor einem halben Jahrhundert schickte die Menschheit die ersten Leute auf den Mond. Etwas zu konstruieren, womit sich ein Gartenschlauch an unterschiedliche Hahnen stecken lässt, schafft sie jedoch auch 2023 nicht.