Rafflegierig

Zu den beliebtesten Vorweihnachtsbeschäftigungen gehört in Australien das Rafflen.

Rafflen geht so: Man kauft eine beliebige Anzahl Nummern, setzt sich mit wildfremden Leuten an einen der vielen Tische und lauscht anderthalb Stunden lang einer Ansagerin, die in einem Fort Preise und Nummern herunterbetet.

Die Zahlen werden auf grossen Bildschirmen angezeigt. Wer eine der Chiffren auf seinem Zettel entdeckt, geht so cool wie möglich zum Gabentempel und lässt sich den Gewinn in Form einer Fleisch-, Seafood- oder Gemüseplatte aushändigen.

(Falls jetzt jemand, leicht verärgert darüber, für nichts und wieder nichts soviel Lesezeit verschwendet zu haben, murmelt, „Kurz gesagt: eine Tombola.“, kann ich nur sagen: Stimmt eigentlich.)

Mein Schatz und ich raffleten heute Abend mit unserer Cousine Jade in einem katholischen Club in Sydney, wobei: Ganz so einfach, wie das klingt, wars nicht – natürlich nicht: Spielen ist auch Down Under eine todernste Sache. Bevor wir den Ort des Geschehens betreten durften, mussten wir uns – wie schon bei Chantals Geburtstagsessen im schicken Ruderclub von Sydney (besonders empfehlenswert: Die Tintenfischringe, alles Lammige und das schottische Filet mit Röschti) – als Vereinsmitglieder eintragen.

Die Registrierung ging erwartungsgemäss nicht ohne für Aussenstehende kaum nachvollziehbare administrative Umtriebe vonstatten: Die Leute beim Eingang scannten unsere Ausweise ein, verewigten unsere Koordinaten in ihren Datenbanken und liessen uns elektronisch Antragsformulare unterschreiben.

Endlich im Allerheiligsten angelangt, erstanden wir je drei Streifen Papier à 20 australische Dollars (das entspricht aktuell ungefähr 16 Schweizer Franken) und…

…Moment…

(Neben mir rasten gerade zwei Opossums durch den Garten. Das musste ich einfach sehen.)

…harrten mit Dutzenden von zum Teil sehr gut abgehangenen Asiaten und Einheimischen der Dinge, die da kommen sollten. Bei den meisten Gästen schien es sich um Stamm-Glücksuchende zu handeln, die auf diese Weise regelmässig die Gefriertruhe füllen und dabei erst noch ganz ohne Facebook mit anderen Leuten in Kontakt kommen können. Von Aufregung war in den Reihen der Raffleroutiniers jedenfalls nichts zu spüren, als die saisongerecht mit einer rotweissen Zipfelkappe dekorierte Ansagerin ihres Amtes zu walten begann.

Die Minuten und Viertelstunden verstrichen, ohne, dass etwas für uns Bejubelnswertes passierte. Abwechselnd starrten wir auf unsere Zahlen, ins Colaglas und auf den Tisch nebenan, an dem schon fast unverschämt mehr Beute gemacht wurde als am unsrigen.

Doch just in dem Moment, in dem uns die endlose Nummernlitanei in einen tranceähnlichen Dämmerzustand zu versetzen drohte, enterte holterdiepoliter ein gemischter Chor den Raum, um zwischen den Tischen wandelnd adventlich inspiriertes Liedgut darzubieten (und Geld zu sammeln; das ging grad in einem zu).

Auch wir spendeten chli Münz – und siehe: Kaum waren die Sängerinnen und Sänger abgezogen, ward unser stummes Flehen nach passenden Zahlen erhört. Erst gewann ich zwei T Bone-Steaks, wenig später nahm Chantal ein Paar Kotelettes in Empfang. Beide Preise waren mit Würsten undoder Speck angereichert. Um unser Überleben in Sydney brauchen wir uns zumindest in den nächsten Tagen also kaum Sorgen zu machen.

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