Bei den Piraten

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(Bild: Schatz)

Wir schlenderten planlos durch den Hafen von Hobart, als wir sie auf einmal ganz hinten an einem Pier entdeckten: Die „Ocean Warrior“, das nigelnagelneue Patrouillenschiff der Sea Sheperds.

Mit armdicken Seilen festgezurrt, lag sie wie ein gefesselter Riese regungslos auf dem Wasser. An Deck informierten drei Mitglieder der Umweltschutzorganisation Touristen über die schwimmende Festung im Allgemeinen und die Sea Sheperds im Besonderen. An Land, nur wenige Meter von dem grauen Stahlmonster entfernt, verkauften zwei Walwächter Kapuzenpullis, Regenjacken, Mützen und andere Merchandising-Artikel, und ganz vorne, also: dort, wo jeder vorbeikam, der die „Warrior“ einmal aus der Nähe betrachten wollte, stand ein weiteres Mitglied, das sich seine Sporen in dieser Vereinigung erst noch dadurch abverdienen musste, dass es die Passanten um Spenden bat.

Die junge Frau mit dem leicht verklärten Blick ging dabei ähnlich übermotiviert ans Werk wie die professionellen Schnorrer von der Corris, die Woche für Woche an Schweizer Bahnhöfen und vor Einkaufzentren herumlungern und versuchen, die Leute zum Unterschreiben eines Dauerauftrages zu überreden.

Trotzdem war ich nahe dran, der Frau eine Fünfzigernote zuzustecken. Denn einerseits ist es alles andere als selbstverständlich (geworden), sich ehrenamtlich für Tiere einzusetzen. Andrerseits gehöre ich zu der wachsenden Schar von Fans, die die Aktivitäten der modernen Piraten am Fernsehen mitverfolgen.

Der Sender „Animal Planet“ dokumentiert ihre Einsätze in der Serie „Whale Wars“, und deshalb weiss ich: Wenn die Sea Sheperds im Südpolarmeer versuchen, die Japaner am Walfang zu hindern, läufts rund.

Dann rasen hochgetunte Schlauchboote über meterhohe Wellen, fliegen mit Buttersäure gefüllte Flaschen auf die Planken der Harpunenschiffe, versuchen waghalsige Männer, endlos lange Leinen unter metertief im Wasser liegende Kiele zu ziehen in der Hoffnung darauf, dass sie sich in den Schiffsschrauben verheddern, zirkeln dünnwandige Hightech-Maschinen durch Packeisfelder und versuchen zu allem entschlossene Waljäger, sich ihre ebenfalls vor nichts zurückschreckenden Verfolger mit hochpotenten Wasserwerfern, scharfgeschliffenen Enterhaken und ohrenbetäubendem Sirenengeheule vom Leibe zu halten.

Abgesehen davon bin ich seit Kurzem mit Fiona McGuaig von der Sea Sheperd Conservation Society bekannt, wobei das nicht allzuviel heissen muss: Aus einer Laune heraus schickte ich ihr via Facebook eine Freundschaftsanfrage, die sie genauso akzeptierte wie die vorherigen 4615 Anfragen von ihr grösstenteils wildfremden Menschen.

Doch dann ging ich an der Sammlerin vorbei, ohne ihr Geld zu geben, und wünschte ihr einfach so a nice day und good luck bei der Operation „Nemesis“, zu der die „Ocean Warrior“ in wenigen Stunden aufbrechen sollte.

Irgendwie empfand ich den Rummel, den die Sheperds in ihrem Heimathafen um sich und ihren – je nach Standpunkt – charismatischen oder kriminellen Anführer Paul Watson veranstalteten, als störend. Weiter fragte ich mich, ob meine Fünfzigernote eine Institution, die sich regelmässig so grosse Schiffe kaufen kann und die ihren eigenen Angaben zufolge Jahresumsätze in Millionenhöhe erzielt, bei ihrer Arbeit tatsächlich entscheidend weiterbringen würde.

Auf die Idee, dass es sehr viele Fünfzigernoten braucht, um Kähne wie die „Ocean Warrior“ anzuschaffen und den Betrieb auch logisistisch und personell über Wasser halten zu können, kam ich erst später, als ich wieder im Hotel und der nächste Wal womöglich schon am Verenden war.

Deshalb, to whom it may concern: The money’s on the way.

1 Kommentar

  1. Sea Shepherd-Boss Paul Watson soll ja mal in der Gründertruppe von Greenpeace gewesen sein (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-137324633.html), wurde dann aber rausgeschmissen. Und zwar nachdem er den Machtkampf mit dem anderen Greenpeace-„Alpha Tier“; Patrick Moore, verloren hatte (dieser wurde kurz darauf Greenpeace-Chef). Bei folgendem Ereignis eskalierte laut Watson der Streit: „Ich leitete die Kampagne gegen das Abschlachten der Robben, und wir hatten Brigitte Bardot als Unterstützerin gewonnen“. Ein Hubschrauber habe bereitgestanden, um die Bardot zu den Eisfeldern zu fliegen. „Patrick verlangte mitzufliegen, ich lehnte ab: ,Patrick, du bist kein Fotograf, kein Kameramann, ich brauche dich dort nicht.'“ Seine angebliche Antwort: „Lass es mich so sagen: Ich fliege in diesem Hubschrauber; und wenn ich Präsident werde, setze ich dich vor die Tür.“
    Sorry, aber ist hier irgendwo auch nur ein Hauch von Selbstlosigkeit zu finden? Wenn man genau schaut, merkt man: Das ist vor allem eine „Ego-Geschichte“. Selbstlosigkeit (oder auch „Uneigennützigkeit“) gehört aber zwingend zur gemeinnützigen Tätigkeit dazu: „Es geht um die gute Sache, für die ich mich einsetze, und nicht um mich.“ Genau das unterscheidet den gemeinnützigen Non-Profit- vom kommerziellen Profit-Bereich, der auf Eigennutzen aus ist. Weder Moore & Watson noch Greenpeace & Sea Shepherd sind glaubwürdig. Viele bewundern ja die Sea Shepherd als legitimen Nachfolger von Greenpeace. Dabei geht’s mit der genau gleichen Entwicklung wie den völlig unglaubwürdigen „Promi“-Einbindungen (Bardot) als „BotschafterIn“ weiter (William Shatner, Christian Bale, Richard Anderson, Sean Connery, Pierce Brosnan). Moore wiederum, der sich ja nun auch schon vor langer Zeit mit Greenpeace zerstritten hat, setzt sich inzwischen sogar „für die andere Seite“ ein, bzw. gilt inzwischen als Industrie-Lobbyist! Und Greenpeace selbst? Von den beiden Super-Egos befreit, könnte man ja annehmen, dass die Umweltschutzorganisationen „wieder auf die Spur“ zurückgefunden hätte. Knapp daneben: Greenpeace war die erste Hilfsorganisationen weltweit(!), die mit einer Strassensammelfirma zusammengearbeitet hat; ab 1995 mit DialogDirect in Österreich – und übrigens dann auch als erste Organisation in der Schweiz, bzw. ab 1996 mit Corris! Diese Kooperationen zwischen NGOs und solchen Spendenfirmen, zweifellos Missstand Nummer Eins im Non-Profit-Sektor, wird den Hilfswerken noch das Genick brechen, das ist etwa so sicher wie der Tod. Denn nirgendwo anders wird die fatale Kommerzialisierung des gemeinnützigen Bereiches deutlicher. Eine kleine Auswahl aktueller Medienbeiträge aus Deutschland mit mir:
    Ketzer Podcast, 20.11.2016: https://kevinbrutschin.wordpress.com/2016/11/21/interview-mit-blogbetreiber-als-experte-auf-ketzer-podcast-deutschland-zum-thema-corris-co-vom-20-11-2016/
    Die Stimme, 22.11.2016: http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/region/Vertrauensmissbrauch-der-Hilfsorganisationen;art16305,3747115
    Der Westen (WAZ), 29.11.2016: https://kevinbrutschin.wordpress.com/2016/12/01/hilfsorganisationen-beluegen-oeffentlichkeit-massiv-bezueglich-ruecklaeufigen-verkaufszahlen-von-standwerbungen-strassenspendensammlungen/

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