Fanpost

Liebe ladygaga, liebe(r) stef, liebe(r) muri, liebe Janax, liebe trombose, liebe(r) geili, liebe superzicke, liebe(r) michi, liebe missiixi, liebe opra,

liebe weitere 14 Mailerinnen und Mailer.

Ihr habt euch seit gestern um 22.04 Uhr eine Menge Zeit genommen und Mühe gegeben, um mir mitzuteilen, was ihr von meinem Blog über das Snowpenair im Allgemeinen und dem darin untergebrachten Abschnittli über die Sängerin Natacha im Besonderen hält.

(Für jene Leserinnen und Leser, die keine Ahnung haben, worum es hier geht und wenig Lust darauf verspüren, den ganzen Snowpenair-Riemen durchzulesen – hier sind die zwei Sätze des grössten Anstosses:

„Natacha (Alter streng geheim; es dürfte gegen die 50 zugehen) tut immer noch, als ob sie ein Megastar wäre, obwohl es dafür kaum Gründe gibt. Wie Frau Schär aus Ersigen in ihrer langen, schwarzen Skijacke und mit einer ”Hey-ich-bin-berühmt-und-tue-nur-so-als-ob-ich-nicht-erkannt-werden-möchte”-Sonnenbrille im auf jung gestrichenen Gesicht durchs Publikum spazierte in der vergeblichen Hoffnung, um ein Autogramm gebeten zu werden: das hatte schon fast etwas Tragisches.“)

Ohne euch – und damit wende ich mich wieder an ladygaga, trombose und all die anderen – noch einmal so furchtbar nahe treten zu wollen: Eure Zuschriften haben mich ein wenig erschüttert. Das lag nicht am Inhalt: Nach der Lektüre der ersten drei Mails hatte ich mich damit abgefunden, ein frauenfeindlicher Vollidiot zu sein, der von Musik und dem dazugehörigen Business keine Ahnung hat.

Es war mehr das Wie als das Was. Einige von euch – das halte ich hier anerkennend fest – verfassten ihre Fanpost zwar so, dass ich sie in einem Zug durchlesen konnte. Andere hingegen pflegen zu den aktuell gültigen Rechtschreiberegeln ein dermassen unverkrampftes Verhältnis, dass ich mich fragte, ob ihr das tatsächlich selber verfasst oder dem Hund diktiert habt.

Zweitens – und wichtiger: Bemerkenswert übereinstimmend beruft ihr euch auf die „Toleranz“.  Diese habe ich mit meinen paar Zeilen, zumindest eurer Ansicht nach, unentschuldbar überstrapaziert.

Aber ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung, was ihr damit meint. Toleranz bedeutet für mich, dass jeder denken und sagen und schreiben darf, was er will, solange er oder sie sich mit dem Gedachten und Gesagten und Gesprochenen in dem von der Gesellschaft vorgegebenen und von der Justiz abgesteckten Rahmen bewegt.

Wenn euer Idol findet, es sei angemessen, in seinem – pardon! – Alter immer noch auf Teenager zu machen und glaubt, ein grosser Star zu sein: bitteschön. Wird toleriert. Ich darf das trotzdem lächerlich finden. Und bloggen, dass ichs lächerlich finde. Ihr wiederum dürft schreiben, dass das, was ich gebloggt habe, total daneben sei. Auch das: wird toleriert.

Nur: Während Natacha und ich ein Gesicht und einen Namen haben, versteckt ihr euch hinter Pseudonymen und kurzfristig eingerichteten Email-Adressen. Aus dieser Deckung heraus schreit ihr dann geifernd und keifend nach „Toleranz“ – denkt aber  keine Sekunde lang daran, genau diese Toleranz auch jenen paar wenigen Leuten zuzugestehen, die nicht genauso ticken wie ihr.

Mit Verlaub: das ist sackschwach.

(Unabängig davon, liebe missiixi, ob du Toleranz mit einem oder zwei „r“ schreibst.)

Is there anybody out there?

Der Fall ist noch nicht gelöst.

Deshalb steht in der Berner Zeitung unter dem Titel „Ziemlich mysteriös“ heute Folgendes:

„Es war nur eine Beobachtung. Doch langsam wächst sich die Sache zu einem Mysterium aus.

Fest steht: Am 27. März schwebten kurz nach 21.30 Uhr drei leuchtende Kugeln geräuschlos und schnurgerade vom Schlosshügel über Burgdorf hinweg. Beobachtet wurden sie von einem Redaktor dieser Zeitung, von Warteck-Wirt Martin Maeder und, wie sich zeigen sollte, von einem guten Dutzend anderer Leute. Fast täglich melden sich Augenzeugen, die zur fraglichen Zeit alleine oder in Gesellschaft ähnliche bis identische Sichtungen gemacht hatten.

Die meisten sprachen von kugelförmigen Objekten. Mit zwei Ausnahmen: Fritz Bösiger tippte auf «japanische Ballone». Heidi Albrecht wollte am verregneten Nachthimmel drei «Papierfackeln» identifiziert haben. Gegen 22 Uhr am selben Abend glaubte Theres Bürgi in Langenthal, einen Helikopter beim Anflug auf das Spital zu sehen. Doch dann entpuppten sich die Lichter als die rätselhafte Dreierformation, die Minuten zuvor über Burgdorf hinweggezogen war. Und damit nicht genug: Am Ostersonntag, also acht Tage später, erblickte Fabienne Luder über Koppigen um 21 Uhr ein ihr unbekanntes Flugobjekt: «Es leuchtete stark und flog schnurgerade», teilte sie mit.

Jens Löbner schrieb gestern, er habe schon «die eine oder andere Erscheinung dieser Art» gesehen. In einer Sommernacht Ende der 90er-Jahre zum Beispiel: Gegen 1 Uhr sei ihm über Bern «eine Art hängende Lichterkette» aufgefallen, wobei die «sieben bis acht» Leuchten nicht senkrecht aufgereiht, sondern «teilweise nach rechts und links versetzt» gewesen seien.

Die Erscheinung habe er während der ganzen Autofahrt von Zollikofen bis ins Berner Stadtzentrum beobachten können. Auf dem Bubenbergplatz hätten sich Passanten über die Lichter unterhalten. Motorengeräusche oder andere «akustisch wahrnehmbare Anomalien» habe niemand gehört. Die geräuschlose und langsame Art der Fortbewegung sei vermutlich «eine ‹Spezialität› solcher Erscheinungen», vermutet Löbner.

Bis heute konnte niemand eine Erklärung für die «Burgdorfer Kugeln» liefern. Für Hugo Jost von der Grenchner Jura-Sternwarte sind Wetterballone die naheliegendste Lösung. Roman Gubser von der Urania-Sternwarte in Zürich räumte auf Anfrage freimütig ein, er habe «keine Ahnung» . Sicher sei nur, dass es «ein sehr lokales Phänomen» gewesen sein müsse.

«Phänomen»: Auf diesen Begriff können sich wohl alle Himmelguckerinnen und -gucker einigen, welche die drei Kugeln an jenem sternenlosen Märzabend über dem Emmental und dem Oberaargau schweben sahen.“

Auf dem Weg nach oben

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass diese Band eine grosse Zukunft hat.

So talentiert und zielstrebig, wie die Jungs um den Burgdorfer Drummer Dan Roth ans Werk gehen, wärs – mit Blick auf all die nach dem Motto „Sie kamen, sahen und versiegten“ zusammengecasteten „Superstars“ – ein schlechter Witz, wenn Skinny Machines es nicht schaffen würden.

Eiger, Magronen und Frau Schär

Natacha haben wir verpasst, The Baseballs spielten gerade den letzten Song, als wir aufs Gelände kamen, Foreigner sahen und hörten wir nur von Weitem, Amy Macdonald lieferte uns die Hintergrundmusik für eine angeregte Plauderei.

Abgesehen davon gibts zum Snowpenair 2010 eigentlich nicht viel zu sagen, ausser:

– Die Kulisse ist tatsächlich einzigartigatemberaubendunbeschreiblichgigantisch. Als ich vor zehn Jahren das letzte Mal am Fuss von Eiger, Mönch und Jungfrau war, schneite es dermassen, dass mein Brüetsch und ich kaum auf die Bühne mit Deep Purple drauf sahen, obwohl wir direkt davorstanden. Jetzt aber, bei Sonnenschein: Wow!

– An keinem Openair der Welt gibt es bessere Bratwürste mit Rösti als am Snowpenair. Leckerere Älpermagronen werden ebenfalls nirgendwo serviert (und wenn: ganz bestimmt nicht so zügig und freundlich). Günstigere Band-T-Shirts kann man lange woanders suchen, ohne fündig zu werden.

Natacha (Alter streng geheim; es dürfte gegen die 50 zugehen) tut immer noch, als ob sie ein Megastar wäre, obwohl es dafür kaum Gründe gibt. Wie Frau Schär aus Ersigen in ihrer langen, schwarzen Skijacke und mit einer „Hey-ich-bin-berühmt-und-tue-nur-so-als-ob-ich-nicht-erkannt-werden-möchte“-Sonnenbrille im auf jung gestrichenen Gesicht durchs Publikum spazierte in der vergeblichen Hoffnung, um ein Autogramm gebeten zu werden: das hatte schon fast etwas Tragisches.

– Für Foreigner ist die Zeit der ganz grossen Stadien schon seit einem geraumen Weilchen und vor allem seit dem Ausstieg ihres an einem Gehirntumor erkrankten Frontmanns Lou Gramm zwar vorbei. Obwohl (oder gerade weil) sie nun schon seit 34 Jahren Rock-Geschichte schreiben, gelingt es den bemerkenswert würdig gealterten Herren aber problemlos, manchen Möchtegernnachfolgern zu zeigen, wo Bartli den Most holt.

– Grosse Menschenansammlungen sind eher nichts für Amy Macdonald. Natürlich: Sie hat eine tolle Stimme. Sicher: Sie komponiert eingängige Songs. Und ja: Sie verfügt über eine handwerklich einwandfreie Begleitband. Aber irgendwie fehlt der völlig zu Recht hochgelobten Schottin das letzte Quentchen Charisma, um Zigtausende von Menschen anderthalb Stunden lang zu faszinieren. In einem kleineren Rahmen – zum Beispiel in einer Beiz oder in einem Club mit höchstens 300 Gästen – würde sie ungleich mehr Wirkung entfalten. Andrerseits: Ihre Plattenfirma schmiedet das Eisen nicht ganz unverständlicherweise, solange es heiss ist, und zwar vor möglichst vielen potenziellen Kunden auf einmal. Dass es dabei vorzeitig verglüht, nehmen die Manager in Kauf; es sitzt ja hinter jedem Busch eine junge Frau mit einer Gitarre in der Hand und der Hoffnung im Herzen, „die neue Amy“ zu werden (ob Macdonald oder Winehouse, spielt keine Rolle. Hauptsache:  berühmt).

Weiter bemerkenswert ist:

– Simon Amman nimmt sich selber tatsächlich nicht sooo ernst, wie ihn andere Leute zu nehmen glauben müssen: Der mehrfache Skisprung-Olympiasieger mischte sich lieber unters gewöhnliche Volk, als den Nachmittag beim Cüplischwenken im VIP-Zelt zu verlauern.

– An Rockkonzerten hats bald mehr Fotografen als Fans. Auch am Snowpenair 2010 stapften Rudel von unglaublich wichtigen Leuten mit Medien-Badges am Hals und riesigen Kameras in der Hand durch die Gegend. Mit etwas müssen die ganzen Online-Portale ja abgefüllt werden; und wenns immer nur die selben People-Föteli sind, die irgendwelche Sabrinas mit ihrem neuen Lover Sven zeigen.

– Es ist für Leute, die keinen Alkohol trinken, immer wieder erstaunlich zu beobachten, welche Mengen von Bier und Schnaps an so einem Event hinter x Binden gekippt werden. Das wäre ein interessantes Experiment: Am Snowpenair oder auf dem Gurten oder am Greenfield-Festival (dort ganz besonders!) ohne Vorankündigung keinen Alk auszuschenken und dann einfach einmal zu schauen, was passiert.