Bitte zu Tisch

So: In wenigen Stunden ist klar, wieviele Leute wir am Samstag an unserem Mittelalter-Essen im Burgdorfer Schlosskeller kulinarisch und musikalisch verwöhnen dürfen. Akkreditiert haben sich Gäste aus Burgdorf, Zurzach, Dübendorf, Hünenberg, Stans, Langenthal, Basel, Bern, Winterthur, Beinwil am See, Thun, Krauchthal, Biel, Fraubrunnen, Hilterfingen, Meikirch und Rostock (jawoll: Rostock!). Ein Dutzend Helferinnen und Helfer aus vier Kantonen sorgt für einen reibungslosen Ablauf des Abends.

Die meisten Gäste sind sich jetzt noch völlig fremd. Aber übermorgen Abend sitzen sie alle, unabhängig von ihrer Herkunft , ihrem Alter, ihrem Status und ihrem Beruf, nebeneinander an langen Tischen, plaudern, versuchen, mit einem Holzlöffel und einem Stück Brot Salat zu essen, stochern in eigentümlichen Breien herum, verschlingen ungewohnt schmeckendes Fleisch, lauschen Lautenklängen aus einer längst vergangenen Zeit und folgen einer Fee in die zauberhaft-verwunschene Welt der Märchen. 

Um 18 Uhr beginnt der Anlass. Vier Stunden später werden sich Dutzende von Menschen kennengelernt und im besten Fall ein wenig angefreundet haben, die voneinander vier Stunden vorher noch nicht einmal wussten, dass sie existieren.

An der Première vor anderthalb Jahren nahmen 40 Menschen teil. Für die Zweitauflage haben sich bis jetzt 54 Personen angemeldet; darunter sind sieben Jugendliche und drei Kleinkinder. Möglicherweise kommen heute noch ein paar Mitesserinnen und Mitesser dazu. Wenn ja: wunderbar. Wenn nein: auch gut. Die Tafel-Gesellschaft macht auf dem Papier auch so einen ziemlich illustren Eindruck. Sie liefert nur schon von ihrer geografischen Zusammensetzung her den besten Beweis dafür, das Essen verbindet; auch wenn es weder gesalzen noch gepfeffert ist.

Nachtrag 23.4.: Jetzt ist es definitiv. Angemeldet sind 48 Erwachsene, 6 Jugendliche und 3 Kleinkinder.

Ein klarer Fall

 

Wasen bei Sumiswald ist nicht das, was Journalisten „ergiebig“ nennen. 

Doch am letzten Freitag wurde die Kleingemeinde innert Stunden schweizweit bekannt: Ein knapp 68-jähriger Mann erschoss seinen unmittelbar vor der Pensionierung stehenden Bruder und dann sich selber.

Die zwei Junggesellen waren zusammen durch ihr ganzes Leben gegangen. Dann haben sie es zusammen verlassen.

Das ist, eigentlich, nicht der beängstigendste Gedanke, den man im Zusammenhang mit dem Sterben haben kann.

Die Frage ist aber: Wie freiwillig gingen sie in den Tod?

Die Leute, mit denen ich am Tag nach dem Leichenfund in Wasen geredet habe,  können sich die Tat nicht erklären. Einige sagten zwar, dass es zwischen den Brüdern „schon ab und zu Spannungen“ gegeben habe. Nur: Dass man sich zwischendurch auf die Nerven gehe, sei nach so vielen gemeinsamen Jahrzehnten nicht weiter erstaunlich. Und schon gar kein Grund, um bei einem Streit gleich zum Gewehr zu greifen.

Also: Was dann?

Vielleicht war der eine unheilbar krank und bat den anderen, der Sache ein Ende zu machen. Der ältere Bruder erfüllte dem jüngeren diesen letzten Wunsch. Überwältigt von Trauer und Schmerz und schlechtem Gewissen, drückte er ein zweites Mal ab.

Vielleicht wollte der eine dem anderen seinen Karabiner zeigen, weil daran irgendetwas klemmte oder weil er sich fragte, ob man diese Flinte nicht weggeben könnte; man brauche sie hier, in diesem friedlichen Quartier, ja kaum mehr. Während er mit dem Gewehr hantierte, ging ein Schuss los. Von der Panik gesteuert, richtete der Überlebende, den toten Bruder vor Augen, die Waffe gegen sich und zog – diesmal halbwegs bewusst – noch einmal am Abzug.

Das Drama von Wasen konnte ein Liebesdienst, ein Unfall, ein Versehen…es konnte x etwas gewesen sein.

Doch während sich die Freunde und Bekannten der Brüder immer noch fragen, wie das passieren konnte und die Polizei damit beschäftigt ist, die Hintergründe der Tragödie aufzuklären, präsentierte der  „Blick“ sein Untersuchungsergebnis schon am nächsten Tag fett auf den Kioskplakaten: Ein „Brudermord im Emmental“ wars.

„Mord“? Das Bundesgericht spricht von Mord, „wenn der Täter besonders skrupellos handelt (und) namentlich sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind.“ Ein Mord zeichet sich für die höchsten Richter „durch aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus“.

Ob und wenn ja wie „skrupellos“ der ältere Bruder gehandelt hat, wie krass er fremdes Leben missachtete und welche persönlichen Absichten er damit allenfalls verfolgte, bleibt möglicherweise für immer unklar: Ermittlungen gegen Verstorbene sieht das Gesetz nicht vor. Eine Gerichtsverhandlung wird es in diesem Fall nie geben. 

Und damit, rein juristisch betrachtet, auch keinen Schuldigen.

Fanpost

Liebe ladygaga, liebe(r) stef, liebe(r) muri, liebe Janax, liebe trombose, liebe(r) geili, liebe superzicke, liebe(r) michi, liebe missiixi, liebe opra,

liebe weitere 14 Mailerinnen und Mailer.

Ihr habt euch seit gestern um 22.04 Uhr eine Menge Zeit genommen und Mühe gegeben, um mir mitzuteilen, was ihr von meinem Blog über das Snowpenair im Allgemeinen und dem darin untergebrachten Abschnittli über die Sängerin Natacha im Besonderen hält.

(Für jene Leserinnen und Leser, die keine Ahnung haben, worum es hier geht und wenig Lust darauf verspüren, den ganzen Snowpenair-Riemen durchzulesen – hier sind die zwei Sätze des grössten Anstosses:

„Natacha (Alter streng geheim; es dürfte gegen die 50 zugehen) tut immer noch, als ob sie ein Megastar wäre, obwohl es dafür kaum Gründe gibt. Wie Frau Schär aus Ersigen in ihrer langen, schwarzen Skijacke und mit einer ”Hey-ich-bin-berühmt-und-tue-nur-so-als-ob-ich-nicht-erkannt-werden-möchte”-Sonnenbrille im auf jung gestrichenen Gesicht durchs Publikum spazierte in der vergeblichen Hoffnung, um ein Autogramm gebeten zu werden: das hatte schon fast etwas Tragisches.“)

Ohne euch – und damit wende ich mich wieder an ladygaga, trombose und all die anderen – noch einmal so furchtbar nahe treten zu wollen: Eure Zuschriften haben mich ein wenig erschüttert. Das lag nicht am Inhalt: Nach der Lektüre der ersten drei Mails hatte ich mich damit abgefunden, ein frauenfeindlicher Vollidiot zu sein, der von Musik und dem dazugehörigen Business keine Ahnung hat.

Es war mehr das Wie als das Was. Einige von euch – das halte ich hier anerkennend fest – verfassten ihre Fanpost zwar so, dass ich sie in einem Zug durchlesen konnte. Andere hingegen pflegen zu den aktuell gültigen Rechtschreiberegeln ein dermassen unverkrampftes Verhältnis, dass ich mich fragte, ob ihr das tatsächlich selber verfasst oder dem Hund diktiert habt.

Zweitens – und wichtiger: Bemerkenswert übereinstimmend beruft ihr euch auf die „Toleranz“.  Diese habe ich mit meinen paar Zeilen, zumindest eurer Ansicht nach, unentschuldbar überstrapaziert.

Aber ehrlich gesagt: Ich habe keine Ahnung, was ihr damit meint. Toleranz bedeutet für mich, dass jeder denken und sagen und schreiben darf, was er will, solange er oder sie sich mit dem Gedachten und Gesagten und Gesprochenen in dem von der Gesellschaft vorgegebenen und von der Justiz abgesteckten Rahmen bewegt.

Wenn euer Idol findet, es sei angemessen, in seinem – pardon! – Alter immer noch auf Teenager zu machen und glaubt, ein grosser Star zu sein: bitteschön. Wird toleriert. Ich darf das trotzdem lächerlich finden. Und bloggen, dass ichs lächerlich finde. Ihr wiederum dürft schreiben, dass das, was ich gebloggt habe, total daneben sei. Auch das: wird toleriert.

Nur: Während Natacha und ich ein Gesicht und einen Namen haben, versteckt ihr euch hinter Pseudonymen und kurzfristig eingerichteten Email-Adressen. Aus dieser Deckung heraus schreit ihr dann geifernd und keifend nach „Toleranz“ – denkt aber  keine Sekunde lang daran, genau diese Toleranz auch jenen paar wenigen Leuten zuzugestehen, die nicht genauso ticken wie ihr.

Mit Verlaub: das ist sackschwach.

(Unabängig davon, liebe missiixi, ob du Toleranz mit einem oder zwei „r“ schreibst.)