Für immer und ewig

Zufällig lernte ich am Fernsehen gestern die „Unsterbliche Qualle“ kennen. Zellen ihres Schirms können sich beliebig oft zu neuen und gentechnisch identischen Polypen entwickeln. So durchläuft die Meduse den Lebenszyklus immer wieder von vorne (für jene, dies genauer wissen wollen: Hier gibts mehr Infos).

Im ersten Moment dachte ich, es wäre noch gäbig, wenn wir Menschen auch über diese Fähigkeit verfügen würden.

Aber dann überlegte ich mir: Wäre es das wirklich?

Mit der Axt im Billigtaxi

Wasser braucht keine Uhr zum Reflektieren. Chli Sonne genügt.

3000 Kilometer von zuhause entfernt, bin ich auf Gran Canaria völlig auf mich alleine gestellt. Niemand ruft mich an, niemand schreibt mir, niemand hat mich gern (abgesehen davon: nüt tafme).

Die einzige, die sich regelmässig bei mir meldet, ist meine Uhr. Jeden Morgen um Punkt 8 ermuntert sie mich dazu, mir ein paar Gedanken zum Tag oder über mich selber zu machen:

Dann lege ich mich noch einmal hin, doch so hochtourig ich auch reflektiere: viele Gründe zum Grübeln gibts nicht. Das Wetter ist prächtig, die Unterkunft tiptopp, das Essen über jede Kritik erhaben, die Auftragslage erfreulich (es war eben doch richtig, von Anfang an darauf zu achten, nicht zuviele russische Kunden im Portefeuille zu haben), die Stimmung heiter, das Heimweh ohne Weiteres aushaltbar und die Hotelgaschtig nett.

Zu denken gibt mir eigentlich nur der zunehmende Wildwuchs auf dem Kopf:

Um für den Fall, dass es plötzlich doch jemandem – irgendjemandem! – nach einem Videocall mit mir sein sollte, gerüstet zu sein, gehe ich morgen zum Coiffeur.

Für den Rückweg nehme ich ein Taxi, damit die neue Frise nicht gleich ruiniert wird von dem sanften Lüftchen, das bei konstanten plusminus 25 Grad über den Archipel säuselt.

Diese Fahrt dürfte mich auf 2 Euro 70 zu stehen kommen, weil in Playa del Inglés alle Taxifahrten, unabhängig von der Distanz, 2 Euro 70 zu kosten scheinen (gut: manchmal sinds 2.50 oder 2.80, aber wenn die Preise weiter in einem solchen Affenzahn durch die Tankstellendecken schiessen wie seit ein paar Tagen, spielen die paar Cent sowieso bald keine Rolle mehr).

Ich weiss nicht, wie die Täxeler hier rechnen und womit sie ihre uralten Benz-Diesler finanzieren, aber irgendwie scheint es für sie am Ende des Tages aufzugehen, und letztlich ist das ja all that matters.

„Am Ende des Tages“ gehört übrigens zu den vielen Begriffen, die genauso zügig ins WC der Sprachgeschichte gespült gehören wie das immer wieder falsch angewandte „….passt zusammen wie die Faust aufs Auge“, die „Bagger“, die „auffahren“, sobald die Bauverwaltung „grünes Licht“ gegeben hat, von Filmtiteln inspirierte Schlagzeilen („Der mit der Axt holzt“) oder das elende „Vorprogrammiert“ mit dem überflüssigen „vor“ vornedran, denn „programmiert“ ist ja schon „vor“, heieiei!, aber bringt es angesichts ungleich grösserer Unglücke und Verbrechen auf der Welt etwas, sich über solchen Kleinkram aufzuregen?

Nein, natürlich nicht, aber de gliich

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Die knapp fünfminütige Taxifahrt vom Burgdorfer Bahnhof zum Kronenplatz hoch ist jedenfalls – Stand heute – nicht unter einer Zehnernote zu haben, und auch nur, wenn der Fahrer den Weg auf Anhieb findet. Das wirft Fragen auf.

Der die Faust auf dem Auge hat, wird sie demnächst reflektieren. Morgens um 8; das ist vorprogrammiert.

Der neue Zauber der alten Magie

Es gibt ein paar Lieder, die sich nicht covern lassen, weil sie genauso perfekt sind wie Michelangelos David oder der Hörnliauflauf meiner Mutter. Wer versucht, sie oder ihn nachzumachen, kann nur verlieren.

Es sei denn, es klemme sich jemand dahinter, der an der Entstehung des Originals massgeblich beteiligt war. Der frühere Dire Straits-Keyboarder Alan Clark zum Beispiel interpretiert „Brothers in Arms“ mit soviel Liebe (und Respekt) neu, dass es einen ganz neuen und eigenen Zauber verströmt.

Wer saxts denn

Mit Alleinunterhaltern ist es so, und zwar immer: Zu Halbplayback spielen sie sich durch die letzten 80 Jahre Musikgeschichte. In dieser Zeit wurden gewiss mehr als 150 Lieder komponiert, aber die Herren bringen – meist in ein Gilet gewandet und mit einem lustigen Hut auf dem Kopf – je-des-mal dieselben plusminus 15 zu Gehör.

Als ich gestern sah, dass mein Hotel nach dem Sonnuntergang von einem Solo-Saxofonisten heimgesucht wird, ereilte mich mitten im Lift etwas, was Fachleute zwischen Panikattacke und Fluchtreflex verorten: Das grosse Chill-Outen sollte direkt unter meinem Homeoffice stattfinden.

Aber dann sagte ich mir: Weglaufen ist keine Lösung. Erstens geht es ja, zumindest im weiteren Sinne, um Musik, und zweitens ist die Wahrscheinlichkeit, in Playa del Inglés an einem Freitagabend ein alleinunterhalterfreies Lokal zu finden, verschwindend klein.

Im schlimmsten Fall sässe ich am Ende irgendwo in den Bergen in einer Kaschemme fest, in der ein lederhäutiger Mann mit langen schwarzen Haaren El Condor pasa auf Nimmerwiederhörenkönnen panflötlet, und wenn ich unmittelbar vor dem Überschnappen jemanden fragen würde, wann der nächste Bus in die Stadt fährt, bekäme ich zur Antwort, mañana.

Weitere Alternativen gabs nicht: Die Larifari-Bar über dem Einkaufzentrum gegenüber war geschlossen, der Swingerclub im Untergeschoss desselben Gebäudes macht erst um 22 Uhr auf, doch selbst wenn: meine sexy Lingerie hängt zuhause im Trocknungsraum neben der Waschküche.

Also machte ich es mir mit einem Büchsli Cola Zero auf dem Balkon gemütlich und harrte der Klänge, die da kommen sollten.

Es wurde, wie ich zu meiner eigenen Überraschung sagen durfte, ein recht netter Abend. Der Künstler – im Hawaiihemd und mit roter Dächlikappe – dudelte heiteren Gemüts weg, was die Playlist im Laptop hergab. Die an Cüpli und Caipirinha nippende Gaschtig raste nicht vor Begeisterung, warf aber auch kein Gemüse nach ihm. Fünf von sieben Engländerinnen hüpften noch vor der letzten Zugabe angezogen in den Pool.

Um die Sache für mich chly aufzupeppen, hatte ich mir, bevor es losging, notiert, was der Mann höchstwahrscheinlich darbietet. Dann hakte ich die Treffer ab:

Nächste Woche wird es noch einfacher. Dann kommt ein Elektropianist. Die Liste steht:

Tipp am Rande: Wer einen Alleinunterhalter sucht, der Musik nicht von der Stange liefert, wendet sich am besten an Harper Seven.

Gehen und bleiben

Morgens um 5 mit einem Kafi in der Hand auf dem Hotelbalkon zu stehen und Leuten dabei zuzuschauen, wie sie – schweigend die einen, murmelnd die anderen – auf den Bus warten, der sie zum Flughafen in Las Palmas bringen wird, kurz die Wetter-App zu checken und zu sehen, dass in Playa del Inglés für heute sonnige 25 Grad angesagt sind und dann zurück ins Zimmer zu gehen im Wissen darum, dass man noch volle drei Wochen auf dieser Insel vor sich hat: momoll, das fägt.