Notizen aus dem Morgenland (II)

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(Selfie: Schatz)

Was passiert, wenn mitten im Orient eine grosse, blonde Frau aus Europa in einem Restaurant voller Muslime auf dem Boden sitzt und von Hand Kamelfleisch mit Reis isst? – Nichts. Es ist nur so, dass die Herren sich diesen Anblick offensichtlich eher nicht gewohnt sind.

Während wir so dahöckeln und mampfen, fühlen wir uns ein bisschen wie seltene Tiere in einem Zoo. Völlig ungeniert starren die Männer meinen Schatz an. Irgendwie habe ich ständig das Gefühl, dass sie innerlich ausrechnen, was die Dame wohl kosten würde (auf dem freien Markt müssen für eine Ehefrau im Oman rund 5000 Rial oder umgerechnet 15 000 Franken investiert werden; dazu kommen dann noch die Auslagen für die Hochzeitsfeier) – und mit wem sie die Kaufverhandlungen führen müssten: mit dem Westler neben der Frau oder mit unserem Führer Khaled, der uns auf unseren Wunsch in dieses Lokal geführt hat, weil wir einmal Kamelfleisch – es schmeckt wie Schweinegeschnetzeltes – probieren wollten.

Noch mehr gestaunt hätten die Herren wenig später: Weil sie auf unserer Fahrt in die Berge auf einmal ein dringendes Bedürfnis verspürte und weit und breit keine Damentoilette zu finden war, löste meine Frau – die ich, to whom it may concern, übrigens auch nicht für alles Geld und Gold der Welt hergeben würde! – ihr Problem kurzerhand in einer Moschee. Auf dem Männer-WC. Aber immerhin: Ausserhalb der Gebetszeit.

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Ansonsten verlief der erste Tag unserer Rundreise ohne nennenswerte Zwischenfälle. Erst bestaunten wir die 7000 Menschen Platz bietende Grosse Moschee, den Sultan-Palast und eine Art Landesmuseum in Maskat und später, in Birkat Al Mauz, eine gigantische Dattelpalmen- und Bananenplantage. Am Ende erlebten wir in Jebel Akhdar, auf der Terrasse des Sahab Hotels in den Grünen Bergen, einen Sonnenuntergang der augenübergehenlassenden Art.

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Heute gehts von 2000 Metern über Meer wieder hinunter, ins Flachland, oder genauer: in die Silbermetropole Nizwa – und später ab die Wahiba-Wüste. Dort übernachten wir unter dem freien Sternenhimmel.

Es gibt nichts, worauf wir uns mehr freuen könnten.

Notizen aus dem Morgenland (I)

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Ein grösserer Gegensatz ist kaum denkbar: Mitten in Maskat, hoch vom Minarett, ruft der Muezzin die Gläubigen zum Abendgebet. Drinnen, in der Hotellobby, singen amerikanische Kinder Weihnachtslieder unter einem riesigen Christbaum, dessen Lichter Minuten zuvor Greta C. Holtz, die US-Botschafterin im Oman, angeknipst hat.

Fundamentalismus? Terror? Krieg? Das alles scheint hier, im Oman, unendlich weit weg zu sein. Das ist umso bemerkenswerter, als das Sultanat nicht mit den umgänglichsten Nachbarn gesegnet ist, die sich friedliebende Menschen gemeinhin wünschen: Im Westen grenzt Oman an Saudi-Arabien und Jemen. Etwas weiter nördlich, gleich hinter dem Golf, breiten sich der Iran, Irak und Afghanistan aus.

„Wir wetteifern nicht mit anderen Nationen um die Grösse der Hotels und die Anzahl der Luxusläden“, sagt der Fahrer, der uns nach Mitternacht am Flughafen abholt, mit einem Blick auf die Protz- und Prunkmetropole Dubai, die ihm immer mehr vorkomme „wie Las Vegas“.

Oberstes Ziel der Omanis und ihrer Regierung sei vielmehr, dafür zu sorgen, dass sich die Einheimischen und ihre Gäste wohlfühlen und alle „in Frieden leben können“. Entsprechend gross geschrieben werde die gegenseitige Toleranz: „Alles – ausser Bikinis“ antwortet er auf die Frage nach der allgemein gültigen Kleiderordnung.

Die verschiedenen Religionen, die sich auf dem 300 000 Quadratkilometer grossen und grösstenteils von Sand bedeckten Flecken Erde tummeln, hätten untereinander keine Probleme. Staatsreligion sei zwar der Islam. Doch die Sunniten, Schiiten, Hindus und Christen, die zusammengenommen rund 10 Prozent er Bevölkerung ausmachen, könnten ihren Glauben leben, ohne Repressalien befürchten zu müssen.

„Leben und leben lassen“: Angesichts all der religiös motivierten Gräueltaten, die nicht nur, aber auch im Orient verübt wurden und nach wie vor werden, erhält diese abgedroschene Floskel hier auf einmal eine sehr reale Bedeutung.

Im Übrigen gebe es im Oman auch politisch keinen Grund zur Klage, versichert der Fahrer: Sultan Quabus, der das Land absolutistisch regiert, seit er 1970 seinen Vater vom Thron geputscht hat, sei ein „sehr guter Mann“, der sich um sein Volk kümmere. Er reise jedes Jahr durch das Land, um mit seinen Untergebenen zu reden, und sorge – zum Beispiel – dafür, dass jedermann von der Grundschule bis zum Universitätsabschluss eine kostenlose Ausbildung geniessen könne.

Ja, räumt er ein: Vor drei Jahren habe es auch in Oman Demonstrationen gegeben. Aber die hätten sich nicht gegen den Herrscher gerichtet, sondern gegen zwei, drei Minister.

Der Muezzin und die Kinder im Hotel sind verstummt. Was nachklingt, ist die Erkenntnis, dass ein friedliches Neben- und Miteinander der Kulturen kein Traum zu sein braucht. Hier, im Oman, ist die Vision eine Realität.

Die Frage ist, wie lange noch. Der 74jährige Sultan lässt ein nicht näher definiertes medizinisches Problem seit Monaten im Deutschland behandeln, und ob seine Nachfolge geregelt ist – und wenn ja: wie – ist unklar.

Aber mir wei nid grüble.

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Gewissensfrage

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Wenn die Post für eine längst weggezogene Nachbarin ein Paket voller Nespresso-Kapseln in den Gang stellt und man – selber gerade bemerkend, dass der eigene Kapselvorrat zur Neige geht – nicht weiss, wo die Eigentlich-Empfängerin jetzt lebt: was macht man da (nicht)?

O-man, O-man!

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Inzwischen zählen wir die Minuten: Am Samstag fliegen mein Schatz und ich für zwei Wochen nach Oman.

Oman? Das ist für mich nach Australien das zweitschönste Land überhaupt. Auch wenn es inzwischen zehn Jahre her ist, dass ich dieses Sultanat am Persischen Golf im Rahmen einer Pressereise kennenlernen durfte, kann ich den Duft von unendlich vielen Gewürzen und Weihrauch immer noch jederzeit aus der Erinnerung abrufen und geniessen.

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Ich sehe sie immer noch vor mir, all die freundlichen Menschen, die Fremden stundenlang aus der wechselvollen Geschichte ihrer Heimat erzählen und ihnen voller Stolz ihre kulturellen und religiösen Schätze zeigen.

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Ich freue mich wie ein Kind auf halsbrecherische Fahrten über Berge aus Sand, Picknicks in Wadis und darauf, nachts in der Wüste, wenns rundherum mucksmäuschenstill und nur ab und zu das Schnauben eines Kamels zu hören ist, die Sterne so gross und klar zu sehen, als ob sie zwei Meter über mir an der Zimmerdecke prangen würden.

Zwei Wochen Oman: Das sind 14 Tage im Paradies. Ich kanns nicht erwarten, dieses Märchenland mit meiner Frau ein zweites Mal zu entdecken.

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Lagerkoller

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„Grüezi. Ich brauche Socken.“

„Gerne! Was für welche?“

„Schwarze, so kurze. Grösse 45 oder 46.“

„Die haben wir schon verräumt. Ich schaue kurz im Lager nach, obs noch hat.“

„Danke.“

„So. Hier habe ich noch ein Paar.“

„Die sehen aber ziemlich klein aus. Sind die wirklich 46?“

„Ou, nein. Sorry. Ich gehe nochmal ins Lager.“

„So. Die sollten passen. Sie sind ohne Rändli oben am Knöchel. Möchten Sie lieber mit?“

„Was ist der Unterschied?“

„Mit ist irgendwie bequemer, finde ich. Sie gehen dann auch nicht so schnell kaputt.“

„Gut, dann mit.“

„Gerne. Ich muss nur kurz ins Lager. Vielleicht haben wir noch…“

„…kein Problem. Danke.“

„So. Hier sind sie.“

„Aber die sehen jetzt wieder ein bisschen klein aus.“

„Stimmt. Demfall muss ich nochmal…“

„Machen Sie nur.“

„So, hier. 43 bis 46. Jetzt haben wir aber Glück gehabt! Darfs noch etwas sein?“

„Ich brauche drei oder vier Paar, nicht nur eines.“

„Aha. Gut. Dann gehe ich kurz ins Lager. Ich bin nicht sicher…“

„Ich habe Zeit.“

„Ich habe gerade gesehen: Wir haben noch an Lager. Wieviele wollen Sie, haben Sie gesagt?“

„Drei oder vier Paar. Oder fünf. Ist eigentlich egal.“

„So. Hier sind sie. Zweimal drei Paar, mit Rändli.“

„Super, merci.“

„Darfs sonst noch etwas…?“

„Danke, nein, das ist alles.“