Nicht zum Aaluege

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Sonntag, 27. Juli: Auf der Terrasse des Landgasthofs Lueg sind zur Mittagszeit nur wenige Tische besetzt. Das erstaunt, denn das auf knapp 900 Metern über Meer gelegene Restaurant geniesst nicht nur in kulinarischer Hinsicht einen sehr guten Ruf. Auch auf Wanderer, Velo- und Töffahrer oder Bustouristen wirkt es wegen der einzigartigen Aussicht seit jeher wie ein Magnet.

Doch nun sind die Betreiber des Gasthofs offensichtlich zum Schluss gekommen, dass in diesem wunderschönen Naherholungsgebiet noch etwas fehlt, worauf sie mitten auf die grüne Wiese die „Lueg-Arena“ (siehe Bild oben) stellten und damit einen „Ort“ schufen, „der einlädt, Traditionen wie eine Viehschau zu pflegen“, wie die Erbauer auf ihrer Website erläutern.

Damit hat endlich auch die in kultureller Hinsicht schwer darbende Emmentaler Bevölkerung die Gelegenheit, Ländlerabende, Volksheater oder zeitgenössisches Liedgut live zu geniessen.

Mit dem Blick über die Landschaft ist es von der Gartenbeiz aus allerdings weitgehend vorbei. Die Openair-Gaschtig scheint das künstlerisch-sportliche Engagement und die dazu nötigen infrastrukturiellen Neuerungen nur bedingt zu würdigen:

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Als Burgdorf zu beben begann

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Heute vor einem Jahr: Ganz Burgdorf scheint in die Schwingerhosen zu steigen. Ladeninhaber dekorieren liebe- und fantasievoll ihre Schaufenster um. Hausbesitzer und Mieter putzen ihre Wohnungen heraus, denn schon bald kommen Gäste von zum Teil sehr weit her, um ein-, zweimal bei praktischerweise hier ansässigen Familienmitgliedern, Freunden oder Wildfremden zu übernachten. Tausende von Helferinnen und Helfern stehen bereit. Wer auf dem Gang durch die Stadt einmal stehenbleibt und die Stimmung auf sich wirken lässt, glaubt zu spüren, dass alles um ihn herum ein bisschen bebt.

Noch ahnt niemand, was genau Burgdorf und damit dem ganzen Emmental bevorsteht, aber allen ist klar: Das gibt eine Riesensache. Eine Viertelmillion Menschen erwartet das Organisationskomitee. 250 000: Diese Zahl liegt jenseits des Vorstellungsvermögens. Deshalb diskutieren die Leute in den Beizen und Bars und beim Posten lieber ununterbrochen über die Wetteraussichten, die Frage, ob der Bahnhof die bevorstehende Invasion wohl überstehen werde, jenen Hotelier mit Migrationshintergrund, der für seine Zimmer auf einmal Wucherpreise verlangt in der – wie sich schnell zeigen sollte: irrigen – Annahme, Schwingfans seien dumm, und, vor allem, natürlich darüber, ob Wenger Kilian König bleibt oder ob er die Krone wird abgeben müssen; an Sempach Matthias, zum Beispiel, oder an Stucki Chrigu. Ersterer ist laut Experten „in der Form seines Lebens“, Letzterer hätte es gemäss Fachleuten „längst verdient“.

Fünf Wochen später pilgern 350 000 Menschen nach Burgdorf. Sie erleben ein perfektes Fest, das es in der Schweiz noch nie gegeben hat – und das es in dieser Form und Grösse wohl auch nie mehr geben wird.

Die Emmestadt – nein: das ganze Land – blickt nach der Inthronisierung des neuen Königs auf drei Wundertage zurück, die jene, die in irgendeiner Form daran beteiligt waren, nie werden vergessen können, und auch nie werden vergessen wollen.

Seeschwächen

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Mit grossen Plakaten betreibt die Bern-Lötschberg-Simplonbahn (BLS) auf Bahnhöfen im Kanton Bern Werbung in eigener Sache. In Burgdorf zum Beispiel verspricht das Unternehmen den auf den nächsten Zug wartenden Passagieren, sie „in 49 Minuten“ auf den Thunersee zu bringen.

Unerwähnt lassen die BLS dabei wohlweisslich, dass ein solcher Ausflug nicht zwingend das Nonplusultra der Freizeitgestaltung zu sein braucht; man denke nur an die blutdurstigen Mücken, oberpingeligen Bademeister, stechwütigen Bienen, tieffliegenden Frisbees, entnervten alleinerziehenden Väter („Nein, Leo: Es gibt jetzt keine Glace mehr. Dein Mami hat uns wieder nur einen Fünfliber mitgegeben.“), hysterischen alleinerziehenden Mütter („Anastacia-Jennifer! Wenn jemand von uns beiden fremden Männern in die Badehose greifen darf, bist das ganz sicher nicht du!“), unangeleint dem Ufer entlangstreunenden Hunde, die Seespiele, die pfeffersprayenden Billetkontrolleure undsoweiterundsofort.

Abgesehen davon: Falls jemand trotz alldem nach Thun reisen will, kann er das auch in 45 Minuten hinter sich bringen, wenn auch nicht mit der BLS, sondern mit der guten, alten SBB:

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Dann muss er oder sie zwar einmal umsteigen. Doch wer Burgdorf kennt, weiss: Das ist nichts Mühsames, sondern die Chance, an den Schlossfuss zurückzukehren, bevor es zu spät ist.

Wers glaubt, wird wahnsinnig

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Ich weiss nicht, wie viele Male ich im Sunrise-Shop in der Gurzelengasse in Solothurn vorsprach, und ich kann auch nicht mehr genau sagen, wie oft ich auf die Hotline dieser Firma anrief, weil ich mein Handy-Abo zur Swisscom transferieren wollte. Es mussten Dutzende von Versuchen gewesen sein.

Wen auch immer ich bei Sunrise fragte – die Antwort war immer dieselbe: „Dafür müssen wir nur Ihre Nummer portieren. Das ist überhaupt keine Sache. Bis heute Abend oder morgen früh ist das erledigt.“

Ein halbes Jahr später löste schliesslich eine hilfbereite Mitarbeiterin in einem Swisscom-Shop im Zug das Problem. Nachdem sie  sich eine Stunde lang durch das halbe Sunrise-Organigramm telefoniert hatte, konnte sie mir freudig melden: Wechsel vollzogen.  Dem Kauf eines Swisscom-iPhones stand nichts mehr im Wege.

Kundenservice und Sunrise – das sind für mich seither zwei Begriffe, die sich gegenseitig ausschlissen. Deshalb staunte ich nicht schlecht, als ich am Schaufenster genau jenes Geschäftes, in dem ich vor Jahren beinahe zum Berserker geworden wäre, heute Plakate kleben sah, auf denen Sunrise verspricht, ich könnte bei ihnen „mein Abo wechseln, wann ich will“.