In alter Frische

Mit grossem Vergnügen habe ich mich soeben zum ersten Mal durch „Rimix“, die neue CD von Polo Hofer, gehört. Der Mundart-Pionier hat – zusammen mit seinem langjährigen Produzenten und Tonmeister Eric Merz – eine Auswahl von Songs aus den 80er-Jahren sowie bisher unveröffentlichtes Material aus dem Archiv geholt und entstaubt.

Er wolle es jetzt „etwas ruhiger“ angehen lassen, sagte Hofer vor zwei Jahren. Unabhängig davon, ob man diese Aussage als Drohung oder Versprechen verstand: lange gültig war sie nicht. Wenig später war der bekennende Müssiggänger schon wieder an verschiedenen Fronten präsent: In Luke Gassers Film „Die Nagelprobe“ spielte der Mann, der mit Beamten zeitlebens wenig am Hut hatte, einen Staatsarchivar, im Musical „Ewigi Liebi“ hatte Hofer einen Gastauftritt; im selben Zeitraum gab der Sänger und Komponist das Songbuch „Das alles und no vil meh“ heraus und schuf mit „Prototyp“ eine CD, die ohne jede Despektierlichkeit als beeindruckendes Alterswerk bezeichnet werden darf. Es folgte – natürlich – eine Tournee durch volle Häuser, in denen 16-Jährige mit offenen Mündern neben ihren mitwippenden Grossvätern im Publikum standen.

Und jetzt, eben: der „Rimix“. Sam Mumenthaler, der frühere Züri West-Schlagzeuger und Hofer-Biograf, rühmt in der Berner Zeitung, die restaurierten Aufnahmen würden „keck“ und „forsch“ klingen. Für mich besteht das grosse Plus der CD darin, dass Hofer den Mut hatte, auf eine Neuauflage seiner Megahits „Alperose“, „Kiosk“ oder „D Rosmarie und i“ zu verzichten, obwohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch davon noch Rohfassungen in irgendwelchen Kellern ihrer Wiederentdeckung harren.

Bei den Restaurierungsarbeiten – für die scheints auch ein auf genau 58 Grad geheizter Ofen verwendet wurde – gingen manche Mäscheli und Bändeli verloren, mit denen Hofer und seine Band(s) ihre Lieder oft verzierten. Von all dem technischem Schnickschnack befreit, der vor 3o Jahren quer durch die Musikszene schwer angesagt war, klingen die Songs nun wesentlich natürlicher, direkter und ehrlicher als im Original.

Natürlich: Wer mit Polo Hofer bis heute nichts anfangen konnte, wird ihn wegen „Rimix“ nicht auf einmal lieben. Alle anderen aber haben dank dieser CD die Gelegenheit, ihn – beziehungsweise einen kleinen Teil seiner Lieder – von einer entschlackten und sehr entspannten Seite kennenzulernen.

Das ist bei einem Mann, der in den letzten Jahren mehrmals im Spital war, weil die Bauchspeicheldrüse, die Galle oder die Stimmbänder nicht mehr wollten, wie sie sollten, alles andere als selbstverständlich. Nur: bei Polo Hofer war schon immer alles ein bisschen anders.

Ach so

Eine Zeitlang sah ich den Mann jeden Tag ein paar Mal. Wie er heisst und wo er wohnt, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass er bei einer sozialen Institution tätig ist und bei seiner Arbeit mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun hat. Als ich ihn auf einmal nicht mehr sah, dachte ich mir nichts weiter dabei und vergass den Mann auf der Stelle.

Gestern Abend sprach das Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen sein Urteil über einen Angeklagten, der sich wegen sexueller Nötigung, mehrfacher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und knapp 20 weiteren Delikten zu verantworten hatte. Opfer seiner Übergriffe war offenbar – von der eigentlichen Verhandlung war die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden – immer seine Ex-Freundin gewesen. Das Gericht verurteilte den Hobby-Kampfsportler, der die Frau einmal fast zu Tode gewürgt hatte, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren; statt hinter Gitter muss er in eine stationäre Therapie. 

Die Richterin sagte, dass sich der Mann nun schon seit einer Weile in einer Alkoholklinik aufhalte. Da wusste ich, wieso ich ihn auf einmal nicht mehr in der Stadt gesehen hatte.

Glück in Schwarzweiss

Eilmeldung an alle, die mir zum Geburtstag am 16. Oktober ein Keyboard schenken wollten: Ich habe schon eines. Seit Neustem gibt es eine iPad-App, mit der man fast perfekt ein Klavier, einen Flügel, ein E-Piano, eine Kirchen- oder Hammondorgel plus – für die James Blunts unter uns – eine akustische Gitarre simulieren kann. Seit ich die App heruntergeladen habe, bewege ich mich in neuen Klangwelten.

Zwischen den Zeilen merkt mans vielleicht: Von diesem Wunder der Technik und Akustik bin ich – um es einmal sehr zurückhaltend auszudrücken – hin und weg und restlosestens begeistert. Mein Kibi klingt nicht nur absolut echt; es hat, wenn man weiss, wie, auch genauso viele Tasten wie seine grossen Brüder und zig Sonderfunktionen. Ein „Pedal“, zum Beispiel, einen Vibratomodus, einen Verzerrer und überhaupt alles.

Wenn ich das Gerät an die Stereoanlage anschliesse und wirklich nur ein kleines bisschen Schub gebe, wummerts schon ziemlich gewaltig im Gebälk. Ich kann damit mischen und aufnehmen und loopen und überblenden und, vermutlich, auch Eier kochen und toasten.

Falls Roll Rum, der Erfinder des Rades, in diesem Moment frustriert in seinen Steintisch beisst: mich erstaunt das nur mässig.

Und Zeit für Mitleid habe ich keine. Ich bin am Üben und Tüfteln und Hebeln und Mechen. Ziel ist es, meine Mitpassagiere auf dem Flug nach Australien mit etwas in der Art unterhalten zu können; möglichst über die voll aufgedrehten Bordlautsprecher: