Familie Bücherwurm

Der Mann mit dem riesengrossen Koffer hätte ebensogut in einem Flughafen am Check-In-Schalter stehen können. Nur war ihm nicht ums Verreisen. Er wartete am Rückgabeschalter der Kantonsbibliothek Zug. Als er an der Reihe war und sah, dass ich mit ein paar CDs in der Hand hinter ihm wartete, liess er mir freundlich den Vortritt. „Bei mir dauerts etwas länger“, sagte er grinsend.

Sekunden später wusste ich, was mit „etwas länger“ gemeint war: Der Mann entnahm seinem Koffer Kochbücher, Kinderbücher, Krimis, Bilderbücher, Sachbücher, Comics, Taschenbücher, Kriegsbücher, Filmbücher…es wollte kein Ende nehmen.

„Bei Ihnen zuhause läuft der Fernseher nicht allzuhäufig“, sagte ich zu ihm, mehr feststellend als fragend.

„Fernseher? Haben wir nicht“, antwortete der Mann. Und wuchtete weitere Bücher und Hefte auf die Ablage. Als er fertig war und die Frau am Schalter sich lächelnd daran machte, die Bescherung nach Kategorien oder was auch immer zu verbuchen, atmete der Kunde auf: „Wir sind zu Fünft. Ein Familienmitglied ist der grössere Bücherwurm als das andere.“

Dann nahm er seinen Koffer und machte sich auf den Weg durch die Bibliothek; er brauchte neues Futter für seine Lieben daheim.

Sehr viel neues Futter.

In Sachen Göttibueb

Dieser Träumer junge Mann wird am 1. Oktober elfjährig.

Was schenkt man dem besten Göttibuben aller Zeiten und Welten zu diesem für ihn epochalen Tag?

(Vorschläge können in den Kommentaren deponiert werden. Für Ideen danke ich jetzt schon herzlich!)

In der Warteschleife zu Deep Purple

Viele Leute glauben ja, als Journalist habe man ohne Weiteres Zugang zu berühmten Mitmenschen. Doch die Annahme, es genüge,  an einem Konzert oder einer beliebigen anderen Veranstaltung mit V.I.P.-Beteiligung mit dem Presseausweis zu wedeln, und schwupp: lasse der Promi freudestrahlend alles stehen und liegen, um sich mit einem zu unterhalten – diese Annahme, liebe Kinder, ist falsch. Auf Zuruf hin kommen nur zu Recht in der Versenkung verschwundene Ex-MusicStars, unentdeckte Möchtegernmodels und längst vergessene Vizemissen, die in ihrem Bekanntenkreis pausenlos erzählen, ganz viele spannende Projekte zu haben, aber nicht einmal mehr für Einweihungen von Autozentren gebucht werden.

Von ungleich grösserem Kaliber sind, zum Beispiel, Deep Purple. Die Mitbegründer des Hard Rock und Erfinder des berühmtesten Riffs aller Zeiten gastieren am 12. November in Europas Heavy Metal-Metropole Huttwil. Weil ich der Leserschaft über diesen Gig etwas mehr erzählen möchte als nur, welche Songs in welcher Reihenfolge gespielt wurden, bemühe ich mich seit Wochen um einen Interviewtermin mit der Band.

Allzu hoch sind die Ansprüche nicht. Ich habe nicht vor, mit Deep Purple einen Tag lang tiefschürfende Gespräche zu führen; ein Viertelstündchen Small-Talk genügt mir vollauf. Aber ohne Weiteres lassen sich die Briten diese 15 Minuten ihrer kostbaren Zeit nicht stehlen. Wieso sollten sie auch?

Der Annäherungsversuch erfolgt in mehreren Stufen. Zuerst muss man sich Zugang zur „Press“-Sektion auf der offiziellen Deep Purple-Homepage verschaffen. Das kann man, indem man den Webmaster mit Informationen über einen selber und das Medium, für das man schreibt,  sendet oder filmt, füttert. Tage später erhält man einen Link zugeschickt. Über diesen gelangt man dann in die Medien-Abteilung. Dort findet man eine Mailadresse, an die man seinen Wunsch noch einmal senden kann. Wenn der Empfänger der Mail gut aufgelegt ist, leitet er das Anliegen ziemlich umgehend an die Plattenfirma der Band weiter. Bei der Plattenfirma wiederum kann es ein Weilchen dauern, bis der Antrag auf den Schreibtischen der Medienverantwortlichen erscheint; es ist ja nicht so, dass sich nur die BZ für Deep Purple interessieren würde. Ein Mitarbeiter der Pressestelle der Plattenfirma schreibt – oder auch nicht – einem irgendwann zurück, dass man die Bitte zur Kenntnis genommen habe und jetzt schaue, was sich machen lasse.

Soweit bin ich im Moment. Das Schöne daran ist: In dieser Warteschleife muss ich mir nicht endlos die Greatest Hits des Rondo Veneziano anhören, sondern kann mir die Zeit mit ungleich knackigeren Klängen vertreiben:

Falls das Interview zustande kommen sollte – woran ich nicht zweifle – wird es nicht ganz so verlaufen, wie man sich so ein Interview vielleicht vorstellt. Ich werde mit Ian Gillan, Glenn Hughes, Ian Paice, Don Airey und Steve Morse nicht erdnüsschenmampfend und an frischgepresstem Orangensaft nippend an einer schicken Hotelbar hängen und mit ihnen allerlei Schabernack treiben, sondern in einer mässig glamourösen Garderobe im Keller des Nationalen Sportzentrums in Huttwil höckeln. Ich werde sie fragen, wie das für sie, die schon in allen Riesenarenen auf diesem Erdball gespielt haben, so ist, hier und heute, in Huttwil; sie werden antworten, Switzerland im Allgemeinen und dieses Huttwil im Besonderen seien really fantastic. Nein, werden sie sagen: Von der Gegend hätten sie nichts gesehen. Aber sobald sie einmal privat im emmentalisch-oberaargauischen Grenzgebiet weilen würden, möchten sie sich Land und Leute genauer anschauen. An die Schweiz hätten sie nur beste Erinnerungen: Immerhin sei ihr allergrösster Hit damals, vor bald 40 Jahren, in Montreux entstanden, wo some stupid with a flare gun burned the place to the ground. In der Folge seien sie immer wieder gerne in the Land of Tschies and Tschogglitt zurückgekehrt. Doch, doch: Es sei wirklich a pleasure – auch und ganz besonders in diesem Huttwil.

Am Ende, wenn die Viertelstunde um ist, wird man sich artig die Hände schütteln und sich gegenseitig versichern, was für eine gefreute Sache dieses Gespräch jetzt doch gewesen sei. Dann steigt die Band auf die Bühne – und tut nach dieser ebenso freundlich wie routiniert absolvierten Pflichtübung, wofür sie bezahlt wird und was sie wirklich gerne tut: Aus dem Stand heraus eine vollbesetzte Halle zwei Stunden lang in Grund und Boden rocken.

(mit einem leicht wehmütigen Gruss an Keyboarder Jon Lord)

Nachtrag: Soeben habe ich die Zusage für ein Telefon-Interview mit einem der Musiker erhalten. Wunderbar!

Bahn, stillstehend, sucht…

Ein nicht alltägliches Bahnerlebnis hatte gestern Abend meine Facebook-Freundin Nathalie Oswald: Nachdem ihr Zug fast 20 Minuten im Bahnhof Freiburg stehengeblieben war, teilten die SBB mit, es gebe „technische Störungen“ und „eine Personalindisposition“.

Und dann sagte das Fräulein im Lautsprecher: „Wir suchen einen Lokführer, der den Zug nach Bern fährt.“