Auf der Homeoffinsel (27)

Samstag, 27. Februar 2021, 14.30 Uhr

Wo auch immer eine Familie ihre Ferien verbringt – irgendwann wirft eines ihrer Mitglieder die Frage auf, wie „das mit der Rückreise“ laufen werde.

Das war auch heute Morgen der Fall. Ein Mann, seine Frau und ihre Tochter im Teenageralter werden Playa del Inglés am Dienstag in Richtung Düsseldorf verlassen.

Zwar ist bestimmt allen klar (und steht höchstwahrscheinlich auch in den Unterlagen), dass vom Express-Checkout über den Bustransfer zum Flughafen bis zum reservierten Sitzplatz im Flüger längst alles „in trockenen Tüchern“ ist, wie unsere Altvorderen zu sagen pflegten…aber de glych.

Die vornehme Aufgabe, diesbezüglich für Klarheit zu sorgen, kam – auch das scheint ein Naturgesetz zu sein – dem Silberrücken zu. Er ging zur Rezeption, um sich kurz bei Miguel schlau zu machen.

Darüber wisse er nichts, teilte Miguel ihm mit. Am besten wende er sich an den hiesigen Mitarbeiter des Tour Operators.

Wo er den finde, erkundigte sich der Mann.

Der Vertreter sei vorgestern, wie jeden Donnerstag, hier gewesen, um Fragen der Gäste zu beantworten und Tipps für Ausflüge zu geben, beschied ihm Miguel. Nachdem eine Stunde lang niemand um Rat nachgesucht habe, sei er wieder gegangen.

Telefonisch könne er ihn aber jederzeit erreichen, fügte er an, und deutete auf das Anschlagbrett, auf dem die Koordinaten der Niederlassung des Reisekonzerns ebenso vermerkt sind wie die Hotel-Präsenzzeiten ihres lokalen Ladenhüters.

Unverzüglich zückte der Vater sein Handy. Kaum stand die Verbindung, bat er um Papier und Schreibzeug. Ununterbrochen nickend und „ok…“, „ok…“ murmelnd, machte er sich Notizen. Offensichtlich erklärte ihm jemand den Weg.

Ich sass wenige Meter daneben in der Lounge und käfelete das Wochenende ein. Der einzige zusammenhängende Satz, der zu mir herüberdrang, war „Nö, Taxi isma zu teua“.

Wenig später verabschiedete sich der Mitvierziger mit derselben grimmigen Entschlossenheit von Frau und Kind wie weiland wohl Winkelried von Gertrud und zog vondannen.

Gegen Mittag kehrte er zu der seiner am Pool harrenden Minisippe zurück. Er schien mir erheblich an Vitalität eingebüsst zu haben.

Eine halbe Stunde lang fasste er seine Erlebnisse auf der Bürosuche kreuz und quer durch die Stadt und die Erkenntnisse, die er beim Gespräch mit dem Statthalter des Reiseveranstalters gewonnen hatte, zusammen.

To make a long story short, wie der Finne sagt: Am Mittwoch um 7.15 Uhr fahre beim Hotel ein Car vor, berichtete der Mann. Der Chauffeur werde nicht ewig warten, ermahnte er die leicht versonnenbrannte Frucht seiner Lenden. Dann gehe es ab nach Las Palmas und von dort aus um 11.05 Uhr – mit einer Zwischenlandung in Madrid – nach Hause.

Damit war alles geklärt.

Oder ämu fast alles.

Kaum hatte der Vater sich in den spärlichen Schatten einer Palme zurückgezogen, um sich dösend von den Strapazen zu erholen, rief die Mutter ihm zu, da sei noch die Sache mit den Coronatests.

Deren Resultate dürften nach der Landung bekanntlich nicht älter als 48 Stunden sein, weshalb so zeitig wie möglich ein Spital oder Arzt ausgekundschaftet und so verbindlich wie nur denkbar ein Termin fixiert gehöre.

Er werde sich darum kümmern, sagte der Mann, aber nicht heute; ganz sicher nicht heute.

„Na höa mal“, fauchte die Frau übers Wasser zurück: In Deutschland hätten sie zwei Tage auf das Testergebnis warten müssen. Sie nehme nicht an, dass „die Leute hier“ fixer arbeiten würden.

Am Montagabend müssten sie die „scheiss Papiee“ Bescheinigungen haben. Das heisse: spätestens morgen zum Checken antraben.

Für den Fall, dass ihr Gatte immer noch nicht begriffen haben sollte, dass er gerade einen Marschbefehl erhielt, schloss sie ihr Referat mit einem unmissverständlichen „lich nich so rum! Mach hinne“.

Widerwillig stemmte sich der Mann aus der Horizontalen und schlurfte in Richtung Hoteleingang. Was er dann tat und was später passierte, bekam ich nicht mit.

Vermutlich fragte er erstmal Miguel.

Hinterlasse einen Kommentar.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.