Buhlen um die Bleichgesichter

Kaltakquise bei 25 Grad im Schatten: Der Strassenhändler fotografiert das Bébé im Wagen, damit sein Kunde in spe – der ihn noch gar nicht richtig bemerkt hat – spürt: Diesem Mann kann ich vertrauen.

An der Strandpromenade von Maspalomas gehören sie zum Inventar: Die fliegenden Händler aus Afrika. Nach zwei Jahren Coronapause sind sie wieder da. Wie sie diese Zeit ohne finanzielle Netze und soziale Böden überbrückt haben, weiss kein Mensch, aber vermutlich hat auch niemand allzu hartnäckig danach gefragt.

Für die lokalen Medien waren Jamaal, Amir, Mohammed, Sami und wie sie alle heissen mögen jedenfalls kein Thema, wie Recherchen des Ausland-, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Tourismusressorts dieses Onlineportals zeigen (hier geht seit jeher alles in Einem zu. Das braucht weniger Personal und hält die Kosten im Rahmen. Man kennt das inzwischen ja auch von noch seriöseren Publikationen her).

An der Geschäftsstrategie der sogenannten Manteros hat sich wenig geändert: Ihre bevorzugte Zielgruppe besteht nach wie vor aus hellhäutigen Leuten, die gerade eben auf der Insel gelandet sind.

Die Neuankömmlinge wollten eigentlich nur mit ein paar Litern Sangria auf schöne Ferien anstossen – und haben statt Tetrapackrotwein mit Dosenfrüchten erst einmal einen Fremden vor sich, der sie „my friend“ nennt, sie dazu ermuntert, in seine Trucke voller Uhren, Schmuck und Sonnenbrillen zu „lucki, lucki“ und ihnen, treuherzig dreinschauend, verspricht, er mache extra für sie einen „good price“.

Je länger sie dann luki, luki, desto tiefer senkt sich die Barriere vor einem eleganten Ausweg aus der Situation. „To bring the procedures to an end“, wie Ian Gillan an Deep Purple-Konzerten manchmal vor der letzten Zugabe sagt, ersteht so manches Bleichgesicht schliesslich ein Armbändeli, das Nomadinnen in der vom fahlen Mondlicht beschienenen Sahara geknüpft haben, einen original echten Schweizer Luxuschronometer oder eine handgeschmiedete Dolce&Gabbana-Sehhilfe.

Hin und wieder treffen die Verkäufer auf Bekannte. Dabei handelt es sich meist um Frauen schon ziemlich sehr weit fortgeschrittenen Alters, die jedes Jahr hier überwintern und sich die freie Zeit in immer denselben Lokalen watching the wheels go round and round vertreiben.

Sie laden ihren Lieblingsafrikaner gerne zu einem Bier oder einer Pizza ein. Das wirkt ein bisschen wie Taubenfüttern im Park, aber henu.

Falls der Mann ein Eggeli Zeit hat, gesellt er sich zu der Runde. Dann radebrecht man miteinander über dieses und jenes, und irgendwann sagt der Frischverpflegte sinngemäss, sooli, nun müsse er wieder chly ga bügle, worauf die Mitglieder des Damenkränzchens mit gespieltem Entsetzen erwidern, das komme üüüberhaupt nicht in Frage und falls doch, dann nur, wenn er verspreche, morgen wieder vorbeizukommen, und schwupp – hat ihn der bunte Strom der Passantinnen und Passanten verschluckt.

Sobald die Sonne untergegangen ist und die Shoppingmeile zwischen dem Café Mozart am einen und dem Kosmetikstudio am anderen Ende sich nadisna leert, kehren die Touristen mit ihren Schnäppchen in die Hotels zurück.

Jamaal, Amir, Mohammed, Sami und ihre Kollegen verschwinden derweil im Nirgendwo. Ob sie ihre Einkünfte behalten dürfen, ist unklar. Der Behauptung von Aussenstehenden, sie müssten sie ihren Bandenchefs abliefern, steht die Aussage eines Insiders entgegen, der erklärte, „jeder Mantero besorgt sich seine Waren mit dem eigenen Geld und versucht, sie dann wieder zu verkaufen.“

Die eigentliche Frage wäre jedoch, bei wem er das Material bezieht – oder beziehen muss. Die answer darauf is blowin‘ in the wind. Stattdessen gibts hier viel Wissenswertes zu diesem Jahrhundertlied.

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