Kein Fach für die Post

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Dass es auf der Welt grob geschätzt 2,851,684 Millionen Dinge geben muss, die einfacher zu haben sind als ein Postfach, hat mir schon geschwant, als ich einen schönen Teil des 18. März dieses Jahres damit zubrachte, einer Dame am Burgdorfer Postschalter zu erklären, dass ich für mein noch nicht eröffnetes Geschäft gerne ein, eben, Postfach mieten möchte.

Inzwischen weiss ich: All die Müh war vergebens. Eine Woche, nachdem die Frau und ich das Formular endlich z Fade geschlagen hatten, teilte mir der Gelbe Riese heute mit, das mit dem Postfach müsse ich vergessen; jedenfalls dann, wenn ich dafür nichts zu bezahlen gedenke: „Leider können wir Ihren Antrag nicht berücksichtigen“, heisst es in dem Schreiben. Der Grund für das Nein: „Die Sendungsmenge ist zu gering für ein eigenes Postfach. Die Mindestmenge für ein kostenloses Postfach beträgt durchschnittlich 25 adressierte Briefe pro Woche (Montag bis Freitag) oder fünf Briefe pro Tag.“

Ein Grund zur Verzweiflung bestehe für mich jedoch nicht, beruhigt mich Martin Kohlbach von der Post CH AG, Briefzustellregion Burgdorf, in einem zweiten Abschnitt: „Als Alternative können wir Ihnen ein Postfach Extra anbieten. Mit dieser Dienstleistung können Sie auch dann ein Postfach nutzen, wenn die Bedingungen für das Postfach-Basisangebot nicht erfüllt sind. Das Postfach Extra kostet CHF 240.– pro Jahr.“

Daraufhin setzte ich mich an den Compi und schrieb der Post zurück:

„Unter der Referenz 48.02.340001.04661144 hat mich Ihr Martin Kohlbach am 24. März 2015 wissen lassen, dass es Ihnen „leider“ nicht möglich sei, meinen Antrag für ein Postfach in Burgdorf zu berücksichtigen. Die „Sendungsmenge“ sei dafür „zu gering“; die Mindestmenge für ein kostenloses Postfach betrage „durchschnittlich 25 adressierte Briefe pro Woche oder fünf Briefe pro Tag“, teilte mir Herr Kohlbach mit.

Dazu ist zu sagen: In und an dem Haus an der Hohengasse 4, in dem ich mein Büro betreibe, gibt es aus denkmalschützerischen Gründen keine Briefkästen. Trotzdem wäre ich nicht unglücklich darüber, wenn ich hin und wieder Post erhalten würde.

Zweitens eröffne ich mein Geschäft erst am 1. Mai. Sie werden verstehen, dass es für mich nicht ganz einfach ist, einen Monat im Voraus halbwegs konkrete Angaben über den Posteingang zu machen. Das habe ich schon der Dame am Schalter gesagt, als ich den Antrag stellte, und das sagte ich einige Tage später auch Ihrem Mitarbeiter, der sich bei mir noch einmal telefonisch nach der voraussichtlichen Briefmenge erkundigte.

Ihr „Angebot“, stattdessen ein sogenanntes „Postfach Extra“ zu mieten und dafür CHF 240.– pro Jahr zu bezahlen, ist für mich, mit Verlaub, eher irritierend denn hilfreich. Ich sehe, um es kurz zu machen, nicht ein, wieso ich für eine Dienstleistung bezahlen soll, die meiner unmassgeblichen Ansicht nach ohnehin zum Grundservice Ihres Unternehmens gehört – unabhängig davon, ob die erforderliche Mindestmenge von 5 Couverts pro Tag erreicht wird oder nicht.

Ich bitte Sie deshalb, Ihren Entscheid zu überdenken. Sollten Sie dabei zum Schluss kommen, dass es beim besten Willen unmöglich ist, mir ein normales – lies: kostenloses – Postfach zur Verfügung zu stellen, bitte ich Sie um einen Vorschlag, der es mir ermöglicht, Post zu empfangen, ohne dafür bezahlen zu müssen.“

Jetzt bin ich gespannt, was passiert. Fortsetzung folgt.

Nachtrag 1:

Marianna Ellen Alessandra Infante, Sachbearbeiterin beim Kundendienst der Post CH AG teilt mir am 26. März per Mail mit, dass ich meine Briefe entweder postlagernd erhalten oder eine „Unteradresse“ beantragen könne. Mit Letzterer würden die Briefe, die an mein Büro an der Hohengasse 4 adressiert sind, hundert Meter weiter oben im alten Markt 6 deponiert. Das klingt nicht unpraktisch, ist aber nicht gratis: Die Lieferung an die Unteradresse kostet 42 Franken pro Jahr, wenn ich sie am Schalter beantrage (was ich ganz, ganz bestimmt nicht tue) oder 30 Stutz pro Jahr, wenn ich sie online bestelle. Jedes weitere Jahr käme mich auf zusätzliche 30 Franken zu stehen.

Darüberhinaus schlägt mir Marianna Ellen Alessandra Infante (ich musste diesen Namen jetzt einfach noch einmal in voller Länge schreiben) vor, einen neuen Postfachantrag zu stellen – entweder am Schalter (siehe oben) oder online. Ich neige zu Letzterem…und werde die voraussichtliche Zahl der an mich adressierten Couverts ein Birebitzeli nach oben korrigieren in der Hoffnung darauf, dass ich nach diesem vierten Kontakt mit dem Gelben Riesen doch noch zu einem kostenlosen Postfach komme.

Nachtrag 2:

Ich habe mich für die Postlieferung an eine „Unteradresse“ entschieden und wollte das kurz und schmerzlos online erledigen. Kaum hatte ich meine Daten hoffnungsfroh eingegeben, poppte auf dem Bildschirm eine Nachricht auf:

„Dieser Dienst erfordert eine zusätzliche Verifikation der Adressdaten durch die Zustellung eines Briefaktivierungscodes. Bis zum Erhalt des Verifikationsbriefes können 2-3 Arbeitstage vergehen. Falls kein Verifikationsbrief eintrifft, nehmen Sie bitte Kontakt mit dem Kundendienst auf.“

Mein Bü, roh

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(Bild: Schatz)

So sieht es also aus, das Büro, das ich am 1. Mai am Burgdorfer Kronenplatz beziehen werde. Noch fehlt dieses und jenes, aber sobald ich den Geschäftsführerkurs in Bern Ende Woche absolviert haben werde, gehts ans Einrichten.

Am Postschalter, mit ohne K

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„Guten Tag. Ich eröffne am 1. Mai ein Büro in der Burgdorfer Oberstadt und brauche ein Postfach. Ist vielleicht noch eines frei?“

„Das weiss ich nicht. Da müssten wir nachschauen.“

„Dann schauen wir doch einfach nach.“

„Genau. Moment…“

(geht nach hinten und kehrt mit einem Formular in der Hand alsbald von dort zurück)

„…also. Ein Postfach.“

„Exakt.“

„Dafür müssen wir einen Antrag machen.“

„Gut.“

„Dann benötige ich…Moment…das ist eine Firma, sagen Sie.“

„Ja.“

„Haben Sie einem Ausweis dabei?“

„Natürlich.“

(lege den Ausweis auf den Schalter)

„Und Sie heissen…“

„…Hofstetter. Johannes Hofstetter.“

(tippt und sagt dazu leise zu sich selber: „H-o-s-t-e-t-t-l-e-r“)

„Entschuldigung, nein: Hofstetter.“

„Ja, klar. Moment….“

(tippt und sagt dazu leise zu sich selber: „H-o-f-s-t-e-t-t-l-e-r“)

„Sorry, nein: Mit ohne L.. Nur Hofstetter.“

„Ach so. Gut.“

(tippt und sagt dazu leise zu sich selber: „H-o-f-s-t-e-t-t-e-r“)

„Mit einem oder zwei T?“

„Hinten mit zwei, vorne mit einem. Macht im ganzen drei.“

„Gut. Das haben wir. Und das wäre ab…“

„…1. Mai. 1. Mai 2015.“

„Ich sehe gerade: das wäre dann ab dem 30..“

„April.“

„Nein, März.“

„Aber ich brauche das Fach erst ab dem 1. Mai.“

„Ach so. Natürlich. Dann 30. April. Das heisst: 27. 27. April. Das ist ein Montag. Wäre das gut?“

„Yup.“

„Und Ihr Büro heisst…“

„Hofstetter-Kommunikation. Mit einem Bindestrich.“

(tippt, hält inne, überlegt, tippt noch einen Buchstaben und schaut von der Tastatur auf)

„Jetzt muss ich doch fragen: Kommunikation mit C oder K?“

„Mit K.“

„Gut.“

(tippt, hält wieder inne, überlegt und schaut erneut von der Tastatur auf)

„Und dann noch einmal K oder…?“

„Wo?“

„Hinten.“

„Ja. Noch einmal K. Zweimal K. Einmal vorne, einmal in der Mitte.“

„Gut.“

(tippt)

„Und die Adresse?“

„Meine oder die vom Büro?“

„Die vom Büro. Zuerst die vom Büro.“

„Hohengasse 4.“

(tippt)

„…in? Also, ich meine: die Postleitzahl?“

„Burgdorf. Sorry: 3400“

„Gut. Das haben wir. Und privat?“

„Alter Markt, in zwei…“

„…zuerst die Nummer.“

„6.“

„Gut. Und dann…“

„Alter Markt. In zwei Wörtern. Burgdorf. 3400.“

„Klar.“

(tippt)

„Hier steht, dass wir angeben müssen, wieviele Briefe Sie erhalten werden. Nur ungefähr.“

„Das kann ich jetzt beim besten Willen noch nicht sagen. Ich habe ja noch nicht angefangen.“

„Ja. Aber ungefähr.“

„Pro Tag oder pro Woche?“

„Pro Tag.“

„Zehn. Sagen wir: Zehn bis fünfzehn.“

„Zehn bis fünfzehn?“

„Vielleicht sinds auch weniger. Oder mehr. Ich weiss es wirklich nicht.“

„Also: Zehn bis fünfzehn.“

(tippt)

„So. Das hätten wir. Jetzt bekommen Sie dann Post. Dann sollte das mit dem Postfach laufen.“

„Sehr schön, danke.“

„Danke auch. Auf Wiedersehen, Herr…“

„Auf Wiedersehen.“

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It’s a long way

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„Value Proposition“, „Venture Capital-Finanzierung“, „Pareto-Prinzip“, „Acceleratoren-Konzept“, „Bisoziation“ oder „Kopfstanddenken“: Seit gut einer Woche rasen jeden Tag Begriffe durch meinen Kopf, von denen ich nie zuvor gehört hatte – oder die mir zwar irgendwie bekannt vorkamen, mit denen ich jedoch bis vor Kurzem nichts anzufangen wusste.

Auf meinem Schreibtisch im Kursraum der Santis AG in Bern – sie ist laut ihrer Website spezialisiert auf „Ausbildungsbedarfsorientierung mit Professionalität, Zielorientierung und Praxistransfer“ – türmen sich Ordner, Bücher und Merkblätter voller Zahlen, Statistiken, Tabellen und längstfädiger Erläuterungen. Den Blick zur Ablenkung zwischendurch in die Nähe schweifen zu lassen, bringt wenig: Die Wände um mich herum sind vollgeklebt mit Papieren, auf denen stichwortartig zusammengefasst ist, was wir schon diskutiert haben oder demnächst besprechen werden.

Wenn wir zweimal pro Tag ein Viertelstündchen Pause haben, denke ich…überhaupt nichts mehr, weil das Gehirn dermassen voll ist, dass es sich komplett leer anfühlt. Die Abende verbringe ich, ohne viel vom Gesehenen mitzubekommen, vor dem Fernseher. Meist gehe ich noch vor den Hühnern Schildkröten ins Bett.

Bis Ende März verbringe ich meine Tage hier, im Geschäftsführerkurs der Berner Amtes für Wirtschaft (beco). Zusammen mit elf gleichgesinnten Damen und Herren und mit Hilfe eines Lehrers, der sich erstaunlich erfolgreich darum bemüht, uns die bisweilen völlig abstrakt wirkende Materie zu vermitteln, bereite ich mich mit grossem Enthusiasmus auf etwas vor, woran ich schon zu meinen Aktivzeiten bei der Berner Zeitung hin und wieder schemenhaft gedacht hatte: den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit.

Ein Zurück gibt es (jedenfalls für mich) nicht mehr, selbst wenn der Lernstoff noch so komplex ist (oder manchmal auch nur so komplex scheint): Am 1. Mai eröffne ich

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am Burgdorfer Kronenplatz,

mitten in der Oberstadt, in einem holzgetäferten, überaus heimeligen und mit einem uralten Kachelofen ausgestatteten Büro mein eigenes Geschäft. Was ich unter welchem Firmennamen wem anbieten werde, darf ich aus juristischen Gründen noch nicht perfekt auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt kommunizieren verraten, weil mir der Kanton sonst die Kursgelder streicht.

Deshalb fürs Erste nur soviel: Genauso, wie sich ein kleines Kind hinter der verschlossenen Stubentüre am Weihnachtsabend darauf freut, den Christbaum zu sehen, plange ich darauf, mit meiner Einmannagentur endlich loslegen zu können.

Und damit: zurück ins Schulungslokal. Heute stehen Steuer- und Versicherungsfragen auf dem Programm. Frei nach AC/DC: „It’s a long way to the top if you wanna rock’n’roll“, aber ein vielversprechender. Von 489 Leuten, die zwischen 2005 und 2009 „meinen“ Geschäftsführerkurs absolviert haben, sind bis heute deren 383 auf dem Markt aktiv. Sie schufen 132 Vollzeit- und 201 Teilzeitstellen und bilden insgesamt 21 Lehrlinge aus.

Nachtrag 27. März: Et voilà.

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