Schon Halbzeit? – Erst Halbzeit!

Über 3000 Kilometer auf Highways, in Städten, Dörfern oder auf holprigen Nebenstrassen – und keine einzige Beule im Auto und kein Schrämmeli an unseren zartgebräunten Luxuskörpern: Nach unserem Ostküstentrip in den australischen Norden sind wir am Geburi von

Linksdrall-Chantal

genau so wieder in Sydney angekommen, wie wir uns das bei der Abfahrt erhofft hatten.

Um die letzten zehn Tage zu beschreiben, genügen drei Worte: „Der helle Wahnsinn“. All die Menschen, Tiere und Landschaften – wen und was wir getroffen, gesehen und erlebt haben, lässt sich kaum beschreiben, ohne den Rahmen dieses Internets zu sprengen. Bilder folgen, sobald ich einen Compi gefunden habe, der imstande ist, ziemlich sehr grosse Datenmengen innert nützlicher Frist zu verarbeiten. Aber ehrlich gesagt: Ich mag meine Zeit nicht damit verplempern, Internetcafés nach einer passenden Maschine abzuklappern.

A propos Internet: Nach meinem letzten Blog-Eintrag haben sich Freunde aus der Schweiz leicht besorgt erkundigt, wies uns so gehe, in diesem Dauerregen. Nun: Von „Dauerregen“ kann nicht die Rede sein. Normalerweise scheint in unserem Wirkungsgebiet die Sonne oder ist es leicht bewölkt.

Regnen tuts jedoch oft am sehr frühen Morgen, wenn ich als erster Bewohner dieses Kontinents aufstehe, und grundsätzlich, wenn wir irgendwo ankommen. Oder am Nachmittag, für zwei Minuten, aus heiterem Himmel – und sturzflutartig. Für Autofahrer aus dem Ausland mag es dienlich sein zu wissen: Sobald der Australier einen Wassertropfen auf seiner Windschutzscheibe zerplatzen sieht, tritt er auf die Bremse, als ob zwei Meter vor ihm eine Koalafamilie über die Strasse krabbeln würde.

Inzwischen ist die Hälfte unserer Ferien auf der anderen Seite des Erdballs vorbei. Aber weil das Glas nie halbleer ist, sondern immer halbvoll, freuen wir uns jetzt wie kleine Kinder auf die vor uns liegenden zweieinhalb Wochen. Pläne haben wir keine, nur Ideen. Wir möchten, wenns geht, einen Abstecher nach Kangaroo Island machen, einen der vielen Zoos besuchen, am Bondi-Beach baden, den Hafen von Sydney bei Nacht erleben und und und…

Zunächst einmal gehen wir heute Abend mit einer unserer beiden Gastgeberfamilien zum Bingo, um ein paar Schinkli fürs Weihnachtsessen zu gewinnen. Oh, ja: Es weihnachtet auch hierzulande sehrstens. Manche Australier dekorieren ihre Häuser und Gärten noch abartiger als viele Europäer schon Wochen vor dem Besuch des Christkinds, das hier vemutlich in coolen Boxershorts und auf dem Surfboard durch die Kamine rauscht, mit viel Liebe zu


elektrisch illuminierten Dekorationselementen aller Art.

Komisch ist: Wer fünf Wochen in der Schweiz verbringt, hat irgendwann das meiste gesehen. In Australien hingegen lernen wir in dieser Zeit nur ein Bruchteilchen dessen kennen (und „kennen“), was dieses grossartige Land zu bieten hat. Deshalb haben wir bereits beschlossen, in zwei Jahren wieder hierher zu reisen.

In der Hoffnung darauf, dass Chantal nicht mitliest (ich will unter allen Umständen verhindern, dass sies auf diesem Weg erfährt): Australien scheint mir nicht nur, aber auch für Flitterwochen wie geschaffen.

Rain man auf Reisen

Falls hier auch Meteorologen mitlesen (zumindest einer von euch hat dafür ja viel Zeit) – woran liegt das:

– Wir sind im australischen Sommer in Sydney: es regnet.
– Wir fahren an die „Sunshine Coast“, an der es zu dieser Jahreszeit sonst nie regnet: es regnet.
– Wir fahren zurück nach Byron Bay, wo sich die Leute mit den Surfbrettern in der Hand auf den Füssen herumstehen: es regnet.

Nur der Vollständigkeit halber: In den letzten Jahren regnete es während meiner Aufenthalte in Teneriffa, auf Cran Canaria, in Afrika, Hongkong, Bangkok und London mehr oder weniger ausgedehnt. Es regnet grundsätzlich auch, wenn ich in der Schweiz frei habe.

Alles, was ich wissen möchte, ist: Hat das mit dem globalen Kilmawandel zu tun oder mit mir? Wenn Ersteres zutrifft: tant piss. Wenn Letzteres wahrscheinlicher ist: Was verdient man so, als Regenmacher in Zentralafrika?

Zurück zum Start

Time flies schon in der Schweiz ziemlich schnell – hier in Australien tut sies mit Überschallgeschwindigkei: Kaum sind wir am letzten Montag zu unserem Trip nach Norden aufgebrochen, befinden wir uns eine Woche später schon wieder auf der Rückreise nach Sydney. Vor drei Stunden haben wir in Byron Bay für eine weitere Nacht in jener Unterkunft eingecheckt, die von den hilfsbereitesten Motelbetreibern der ganzen Welt geführt wird. Maria, die Chefin und Frau von Kelvin, dem Chef, hiess uns herzlich willkommen und händigte Chantal das am Freitag liegengelassene Schweizer Geld aus. Wir revanchierten uns für ihre Bemühungen mit einer guten Flasche Wein und der Buchung einer weiteren Nacht.

Die Fahrt vom naturgemäss totalverregneten Rainbow Beach im „Sunshine State“ (ha!) Queensland hinunter nach Byron Bay verlief weitgehend problemlos. Wir schafften es zwar, uns vom Pacific Highway her direkt in die Berge zu verirren. Aber am Ende erreichten wir unser Ziel mit – sagen wir – zwei Stunden Verpätung wohlbehalten und unversehrt an Haut und Blech.

Übermorgen – pünktlich zu Chantals Geburi – schlagen wir erneut bei unserer Gastgeberfamilie ein. Sie will meinem Schatz dem Vernehmen nach eine ziemlich üppige Party ausrichten. Die Frage ist: üppig nach Schweizer oder australischen Massstäben? Falls Letzteres zutreffen sollte, brauchen wir in den verbleibenden drei Wochen nie mehr zu essen.

Die halbe Nacht mit Vögeln verbracht

Ein paar hundert Kilometer nördlich von Byron Bay liegt Rainbow Beach. Hier haben wir uns für 90 australische Dollar – das sind umgerechnet 90 Schweizer Franken – in einer kleinen Studiowohnung in einer palmengesäumten Ferienanlage fast direkt am Strand eingemietet. Wir sind in den Tropen angekommen, im „Sunshine State“ Queensland. Kaum hatten wir das Zimmer bezogen, begann es zu regnen. Euer Albtraum ist wahr geworden, liebe Bootsverleiher und Openair-Beizer: Here I am.

Das Schlafen war ein Erlebnis für sich: Wer schon im Vogelhaus des Basler Zoos übernachtet hat, kann sich die Geräuschkulisse ungefähr vorstellen. Ab ungefähr halb Vier krähten, sangen, jubilierten, keckerten und meckerten die kunterbunten Piepmatze ununterbrochen und ungeachtet des aus dem Himmel fallenden Wassers in ihren Bäumen. Es war eine kleine Nachtmusik der ganz besonderen Art. Inzwischen – es tagete wie immer in diesem Land sehr schnell – haben sich die meisten Gesangskünstler und Pfeifakrobaten zum Schlafen ins Dickicht zurückgezogen. Schade – ich hätte gerne gesehen, wer mich in den letzten Stunden so nett unterhalten hat.

Chantal sagte, sie habe aus einem Nachbarhaus noch ganz andere Geräusche vernommen, die im weiteren Sinne ebenfalls mit dem gefiederten Gesangsverein zu tun hatten. Aber das wollen wir, weil vielleicht auch Kinder mitlesen, nicht vertiefen. Mein Schatz verbringt den Tag heute auf Fraser Island, um – dann hoffentlich sonnenbestrahlt – durch schneeweissen Sand zu schlendern, ein verrostetes Wrack zu bestaunen und durch glasklare Bächli zu waten. Ich bleibe auf dem Kontinent und werde chli über den Weihnachtsmarkt bummeln, Leute gucken und am blaugrünen Meer lesen, falls es irgendwann noch aufhört zu schiffen.

Weiter hoch in den Norden reisen wir auf diesem Australientrip nicht. Morgen machen wir uns auf den gemütlichen Rückweg nach Sydney; am Donnerstagmorgen geben wir dort unseren Wagen zurück. Vorher legen wir noch einen Zwischenstopp im „Dolphin Motor Inn“ in Byron Beach ein, dessen Besitzer uns neulich so freundlich geholfen haben, als ich mein Portemonnaie verloren hatte. Wir müssen noch etwas holen: Chantal hat im Motelzimmer ihr Schweizer Geld liegenlassen.

Frauen…

Nachtrag: Es goss tatsächlich 24 Stunden lang ununterbrochen wie aus den vielbemühten Kübeln. Die Leute im Ort sagten, so einen „Sommer“ hätten sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt. Chantal kam pflotschnass und zähneklappernd von der Insel zurück. Sie wirkte, als ob sie durch die Antarktis getrampt und von niemandem mitgenommen worden wäre. Aber schön seis gewesen, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte. Sie sah Sand ohne Ende, das Schiffswrack, diverse nette Mitreisende und einen angefressenen Hai. Ich genoss meinen Single-Tag lesend und über den Sinn des Lebens reflektierend im Motelzimmer.

Kilos statt Krebs

Der durchschnittliche australische Jugendliche wiegt 120 Kilo. Zum Zmorge mampfen er und seine Familie warmes Fett mit Schinken, Speck und Wurst drin. Zum Zmittag gibts zwei bis drei Cheesburger und einen halben Liter Schoggimilchshake. Gegen Abend verpflegt sich die Familie mit frittiertem Huhn und Chips.

Aber wenn man sich auf dem Trottoir eine Zigi ansteckt, zerren entgegenkommende Mamis ihre kugelrunden Kinder mit panisch geweiteten Augen auf die andere Strassenseite, weg von dem Mann mit dem Gift an die Hand.