Kleine Kultour de Suisse

G’day, mate: Diese Woche haben wir Besuch. Eric is here, Chantals Cousin aus Sydney. Und genauso, wie wir bei unseren Reisen durch Australien jeweils versuchen, von Land und Leuten soviele Eindrücke wie möglich zu sammeln, ist auch Eric wild entschlossen, in einem Minimum an Zeit ein Maximum an Einblicken in das ihm fremde Land zu gewinnen.

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Los gings am Mittwoch mit einem Trip ins Berner Oberland. Nach einem Atelierbesuch beim Berner Künstler Housi Knecht in Rubigen und einem Zwischenstopp am Brienzersee fuhren wir nach Grindelwald.

Zu sehen gabs, was es in Orten wie Grindelwald halt zu sehen gibt: Verbrannte Touristen, übelgelaunte Serviertöchter („Ich bin eigentlich gar nicht hier; bestellen Sie bei meiner Kollegin.“), runzlige Eingeborene, gepuderzuckerte Tannen und verbislete Schneemaden.

Nur Steinböcke, auf die sich unser Gast so gefreut hatte, waren keine unterwegs; weder auf den Strassen noch im Wald noch sonstwo. Wir vertrösteten Eric auf später; in Bern, an der Aare unten, gebe es davon jede Menge.

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Tags darauf stand unser Besucher, der seit Jahren davon träumt, in Europa Kunst zu studieren, der Sinn nach Kultur. Also taten wir das Naheliegende: Wir düsten in aller Herrgottsfrühe los, um der Galerie von Bruno Bischofsberger in St. Moritz einen Besuch abzustatten.

Gut vier Stunden nach dem Start in Burgdorf waren wir schon am Ziel (oder, um dem womöglich mitlesenden Tourismusdirektor das Freudeli zu machen, „on top of the world“).

Ich wunderte mich kurz darüber, dass die Leute in St. Moritz nicht mit Chlämmerli auf den Nasen umherlaufen. Aber Geld stinkt auch auf 1856 Metern über Meer nicht; es manifestiert sich in Gestalt von hochgetunten Frauen, die in die Überreste von toten Tieren gewandet von Boutique zu Boutique schlendern, und spätmittelalterlichen Herren in Maseratis und Porsches.

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Über die Galerie lässt sich nicht viel mehr sagen, als dass sie geöffnet war. Darin standen und hingen ein Dutzend Skulpturen und Bilder von einem Spanier. Eine Viertelstunde, nachdem wir den Raum mit der gebotenen Ehrfurcht betreten hatten, standen wir leicht ernüchtert wieder auf dem Trottoir.

In einem Café gönnte Eric sich eine der weltberühmten Bündner Spezialitäten: Fish & Chips. Wir blieben bei Bratwurst mit Rösti und einer Handvoll Capuns. Dann fuhren wir heim.

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Am Freitag steuerte unser kleiner Kultour de Suisse-Tross einen weiteren Etappenort an: Das Museum von HR „Alien“ Giger in Greyerz. Sehr gruselig, schampar makaber, nur bedingt feminisischen Idealen verpflichtet – und trotzdem oder gerade deshalb total faszinierend: Den Gang durch die von Höllenkreaturen belebten Albtraumlandschaften dürfte unser Freund von der anderen Seite des Erdballs als einer der Höhepunkte seines Aufenthalts Overseas verbuchen.

Kulinarisch hinterliess das Fondue auf der sonnenbeschienenen Terrasse des Hotel de Ville einen stundenlang bleibenden Eindruck.

Steinbockmässig kam der Mann vom anderen Ende der Welt ebenfalls auf seine Rechnung: Bevor wir den Röstigraben überquerten, bummelten wir durchs Dählhölzli. Gleichmütig posierten die Langhörner für Erinnerungsfotos.

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Gestern dann: Zürich, mit Schaufenstergucken im Niederdörfli und Flanieren auf der Bahnhofstrasse. Heute lassen wir uns mit einem Car auf die Lueg bringen; von dort gehts zu Fuss back to Burgdorf.

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Am Mittwochmorgen fliegt Eric über Wien, Amsterdam und China in seine Heimat zurück. Bis dahin gibts für ihn – auch in unserer näheren Umgebung – noch einiges zu entdecken.

Lebensfreude und Menschlichkeit gegen Gier nach Geld und Macht

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Ein bestens aufgelegtes Laienensemble, eine flotte Inszenierung (Stefan Meier), ein beeindruckendes Bühnenbild (Heinz Egger und Sabine Käch) plus tolle Kostüme (Christina Wenger): Die Theatergruppe Burgdorf überzeugt mit ihrer neusten Aufführung „Die Irre von Chaillot“ im Casino Theater.

Skrupellose Männer wollen Paris in die Luft sprengen. Sie vermuten Erdöl unter der Stadt und erhoffen sich davon Reichtum und Einfluss. Dagegen wehren sich eine Blumenverkäuferin, schrullige alte Damen, eine stumme Frau, ein Lumpensammler, ein Kellner, eine Sängerin, ein junger Mann, eine Küchenhilfe, ein Schuhbandverkäufer, ein Kanalisationsreiniger, ein Polizist und – allen voran – Comtesse Aurélie, die vermeintliche „Irre“, hinreissend verkörpert von Marie-Louise van Laer.

Zwei Stunden lang liefern sich Gut und Böse im Chaillot-Quartier an der Seine einen bisweilen sehr ernsthaft und manchmal mit humoristischen Mitteln geführten Kampf. Nach einer Gerichtsverhandlung, in der der Lumpensammler stellvertretend für die Spekulanten zum Tode verurteilt wird, triumphieren die Menschlichkeit und die Freude am Leben über das Streben nach Geld und Macht.

So einfach und nachvollziehbar sich die Geschichte auch liest: Ganz leicht fiel es mir nicht, der Handlung zu folgen. Die Rollen sind zwar klar verteilt. Die Art und Weise, wie die Menschen sprechen und handeln, lassen nie Zweifel an ihren Absichten aufkommen (ausser vielleicht, wenn der Lumpensammler für den Schauprozess auf einmal beängstigend überzeugend als Raffzahn auftritt).

Dass die Stumme wieder sprechen kann, sobald die Gefahr gebannt ist, leuchtet ein. Dass die Menschen im Quartier nach der Befreiung von allem Übel „L’oiseau et l’enfant“ singen – genau das Lie, das die gefühlskalten Besatzer nicht hören mochten – versteht sich von alleine.

Nur: Was hat das mit den imaginären Haustieren zu tun, über die sich die drei Seniorinnen lang und breit unterhalten? Wie passt das mit dem gspässigen Doktor zusammen, der kurz vor Schluss, wie einem Lehrbuch für Exhibitionisten entstiegen, in Boxershorts und Trenchcoat auftaucht? Und: Wieso wird die Comtesse als „Irre“ betitelt, wenn sie doch die einzige ist, die mit Raffinesse, Schalk und Durchsetzungsvermögen von Anfang an klarmacht, dass sie den Weg aus dieser beklemmenden Situation kennt? An ihrer extrovertierten Kleidung kanns nicht liegen: Im Vergleich zu ihren Mitstreiterinnen und -streitern fällt sie optisch weder auf noch ab.

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Diese und andere Verästelungen sind für jemanden, der sich literarisch nur rudimentär auf den Theaterbesuch vorbereitet und eine lupenreine Komödie erwartet hatte, verwirrend genug. Denn eine Komödie im eigentlichen Sinne hat Jean Giraudoux mit diesem Stück nicht geschrieben.

Wenn ich den Sinn der Sache nicht ganz erfasst habe, hat das möglicherweise aber noch einen ganz anderen Grund: „Die Irre von Chaillot“ ist nicht nur, aber auch eine satirisch gefärbte Absage an den Zynismus. Zuschauer, die selber zu Selbigem neigen, mögen Mühe damit bekunden, unversehens in einen Spiegel zu blicken und zu erkennen, dass vielleicht auch sie – rein hypothetisch, versteht sich – eher zu jenen gehören würden, die das Erdöl aus dem Boden holen wollen, als zu jenen, die alles auf ewig so belassen möchten, wie es seit jeher war.

Aber eben: Vielleicht war auch alles ganz anders gedacht.

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Weitere Aufführungen:

Samstag 22. Februar, 20 Uhr
Sonntag 23. Februar, 17 Uhr
Donnerstag 27. Februar, 20 Uhr
Samstag 1. März, 20 Uhr
Sonntag 2. März, 17 Uhr
Samstag 15. März, 20 Uhr
Sonntag 16. März, 17 Uhr

Vorverkauf:

Tourist Office am Bahnhof (058 327 50 92)
Buchhandlung am Kronenplatz (034 422 21 75)

(Bilder: zvg)

Gigantisch in jeder Hinsicht

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300 000 Besucherinnen und Besucher, 230 000 Liter Bier, 80 000 Liter Mineralwasser, 45 000 Würste, 4 Tonnen Ruchbrot, 100 Tonnen Sägemehl, je eine Tonne Schweinsnierstücke, Beinschinken und Schweinsbraten, 75 Extrazüge, 130 000 Tonnen Abfall, über 500 000 Franken Gewinn: Die Zahlen, die die Organisatoren des Eidgenössischen Schwingfestes 2013 in Burgdorf ein halbes Jahr nach dem Mega-Anlass vorlegen, sind sehr, sehr beeindruckend.

Verraten und verkauft

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Kaum hatten wir im Gasthaus Hoher Hirschberg über Appenzell Meistersrüte gestern Platz genommen, hiess mich die Swisscom per SMS „Willkommen in Österreich!“

Ich frage mich: Was verschweigt uns unsere Landesregierung?

Nachtrag: Es ist vermutlich alles noch viel schlimmer. Meine Facebook-Freundin Gabi Leu schreibt zu diesem Beitrag: „Ist mir fast gleich ergangen, gestern im Bergrestaurant in Moléson. Ich erhielt eine SMS mit „Willkommen in Frankreich…“

Ist in letzter Zeit sonst noch jemand in eine patriotische Identitätskrise gestürzt worden? Meldungen bitte in den Kommentaren.