Die Rockröhre im Seniorenmagazin

1991, vor über 30 Jahren also, veröffentlichte die gerade erwachsen gewordene Vera Kaa ihr erstes englischsprachiges Album „Different ways“. Nicht nur, aber auch wegen ihrer sagenhaften Stimme, die bisweilen sehr an Janis Joplin erinnerte, eroberte die Luzernerin die Schweizer Musikwelt im Sturm.

Ihre Platte stellte sie auch im Reinacher Theater am Bahnhof vor. Nach dem Konzert interviewte ich (26) sie für das Wynentaler Blatt.

Das Gespräch ging weder in die Annalen des Journalismus noch in jene der Popgeschichte ein: Ich, lausig vorbereitet und möglicherweise nicht topfnüchtern, hatte keine Ahnung, was ich sie fragen soll, und sie schlechte Laune (Kunststück, bei dem Gegenüber) plus es sowieso eilig, nach Hause zu kommen.

Jetzt, in der Klinik, vo ich meinen Schenkelhalsbruch auskuriere, sah ich sie auf dem Tisch mit den Zeitschriften wieder. Die rotzfreche Rockerin von einst ziert das Titelbild der aktuellen „Zeitlupe“, dem Magazin „für Menschen mit Lebenserfahrung“. Man kann sagen: sie liegt hier genau richtig.

„Wie denkst du über das Altern?“, „Was, glaubst du, wird dir das Leben bringen?“, „Kannst du dir vorstellen, irgendwann das Cover eines Seniorenheftes zu zieren?“:

D a s, dachte ich, während ich das lesenswerte Interview mit ihr studierte, wären Themen gewesen, damals, in Reinach, als wir zäme hinter der Bühne sassen und miteinander sinnlos ein Stückchen von jener Zeit totschlugen, die uns später immer schneller durch die Finger rinnen sollte.

Hörtipp: „Family Collection“, erschienen 2015. Vera Kaa lädt darauf „zu einer faszinierenden Reise ein durch ihr jahrzehntelanges Schaffen mit Höhen und Tiefen. Ob in Mundart, Hochdeutsch oder Englisch, ob feurig, trotzig, rebellisch, unbeschwert, poetisch oder melancholisch, die ‚Göre aus der Innerschweiz‘ gibt dem Publikum genau das, was man sich von ihr gewohnt ist: Das Beste“, heisst es auf ihrer Website.

Nachdem ich das Album soeben heruntergeladen und ein erstes Mal durchgehört habe, muss ich sagen: selten traf eine Eigenwerbung den Nagel präziser auf den Kopf.

Ein Bein in guten Händen

Es ist schon erstaunlich: Ein Unfall genügt und schwupp: lernt man Dutzende von kompetenten, engagierten, empathischen (nicht gspürigen!) und respektvollen, Menschen kennen, von denen man nie zuvor gehört hatte.

Neun Tage nach meinem Sturz auf den Küchenboden und acht Tage nach der Operation des linken Oberschenkelhalsknochens: tuusigmillione Dank an die schnelle Eingreiftruppe von der Rettung, dem Röntger, Elza Memeti, die Chefärztin der Chirurgie im Spital Menziken, für ihre solide Büez und ihr unkompliziertes Wesen und überhaupt, ihre Oberärzte und deren Assistenten, die Alleskönner und Nichtskenner vom Notfall, die Änas Anth Anne Einschläferungsleute, die ungekünstelt freundlichen und allzeit bereiten Angehörigen der Pflegeabteilung, die Physiotherapeutin, den Masseur, die Küchenequipe sowie die Putzmann und -frauschaft. Ihr alle habt mich seit Ostersamstagabend keine Sekunde lang daran zweifeln lassen, dass mit meinem lädierten Bein alles gut kommen wird. 

Ich konnte mir unmöglich sämtliche Namen der guten Geister um mich herum merken. Einige Personen sah ich nur einmal, andere nahm ich wegen allerlei chemischer Substanzen lediglich durch eine Art Nebel wahr.

Was ihr, liebe Mitarbeitende jenes Spitals, in welchem ich vor bald 58 Jahren zur Welt kam, für mich getan habt, werde ich aber keinem und keiner einzigen von euch je vergessen. 

Wenn ich beim nächsten Lockdown auf meinem Balkon stehe und dem medizinischen Personal applaudiere, werde ich extra für euch zehn Minuten länger klatschen.

Auch wenn mir völlig klar ist, dass dem, was ihr Tag für Tag und Nacht für Nacht leistet, auch eine zweiwöchige Standing Ovation nicht annähernd gerecht werden könnte.

Am Mittwoch ziehe ich weiter nach Bad Schinznach. Ich freue mich sehr auf die dort anstehenden zwei Reha-Wochen, wobei: im Moment weiss noch niemand, wer diese bezahlt.

Die Krankenkasse, der ich seit meiner Volljährigkeit eine sechsstellige Summe an Prämien überwies, weigert sich, die Kosten für die Nachbehandlung zu übernehmen.

„Ein Aufenthalt in einer Rehabilitationsklinik“ habe „nicht automatisch eine volle Kostenübernahe durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zur Folge“, belehrte mich die Kasse schriftlich. Voraussetzung dafür, dass sie die Reha finanziere, sei, „ein Leiden, das eine medizinische Rehabilitation unter Spitalbedingungen erfordert“.

Ihr, der Kasse, lägen jedoch „keine Angaben vor, die eine stationäre Rehabilitation begründen“ würden. Mit anderen Worten: Nach Ansicht der Kasse wird mein Bein so oder so verheilen. Das ist ein Top-Argument: Immerhin ist bei jedem Spitalpatienten und jeder Spitalpatientin davon auszugehen, dass er oder sie irgendwann auch ohne kostspielige Therapien wieder gesund wird (und falls nicht, besteht immer noch die Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie kurz-, mittel- oder langfristig stirbt.)

Aber immerhin: eine „Kurbedürftigkeit“ anerkennt die Kasse. An die Aufenthaltskosten steuere sie zwar nichts bei, aber – yeah, yeah, yeah! – an „die medizinisch anerkannten Heilanwendungen“ – abzüglich meiner Beteiligung, versteht sich. Diese setze sich aus meiner Jahresfranchise und 10 Prozent Selbstbehalt zusammen.

Das Spital hat nun ein Wiedererwägungsgesuch gestellt. Es tut das, wie mir Verantwortliche berichteten, mit bemühender Regelmässigkeit.

Und gelegentlich sogar mit Erfolg.

Nachtrag: Die Kasse bezahlt die Reha nicht, sondern nur – zumindest teilweise – die physiotherapeutischen Massnahmen während der Kur.

Big in Japan

Wenn man bedenkt, dass Simon McBride, der schon nicht mehr ganz so neue Gitarrist von Deep Purple, vor dem Auftritt in der heilg’en Halle des Budokan – die Älteren erinnern sich: dort nahm die Band im Dezember 1972 „Made in Japan“ auf, das vielleicht beste Konzertdokument aller Zeiten, sieht man vielleicht von Thin Lizzys „Live and dangerous“, Peter Framptons „Comes alive“, B.B. Kings „Live in Cook County Jail“, Bob Marleys „Live¨“, Bob Segers „Nine Tonight“, Led Zeppelins „How the West was won“, Bruce Springsteens „Live 1975-1985“, Cheap Tricks „At Budokan“, Muddy Waters‘ „At Newport“ sowie Totos „Absolutely live“ und Dire Straits‘ „Alchemy“ (die beiden Letzteren sind in einer eigenen Kategorie jenseits des Irdischen klassiert, aber ich schweife langsam ab) – nervös war wie nur etwas, muss man anerkennend sagen: der Mann hat seine Sache mehr als nur cheibe gut gemacht🎸👌 .

Fast ein Schnäppchen

Kaum stand fest, dass Bruce Springsteen in diesem Sommer – und vielleicht zum letzten Mal – die Schweiz beehren würde, sicherte ich mir für knapp 400 Franken zwei Tickets für sein Konzert im Letzigrund-Stadion. Dann stellte sich heraus, dass der Boss aus Gründen ohne mich würde spielen müssen. Also bot ich die Billete auf der Online-Versteigerungsplattform Ricardo zum Kauf an. Ich hoffte, sie dort zumindest zum Selbstkostenpreis loswerden zu können.

In den ersten Tagen wurde mein Angebot kaum beachtet. Doch je näher das Ablaufdatum der Auktion rückte, desto schneller stiegen die Zahlen in die Höhe. Einen halben Tag vor der „Deadline“ gings in 50 Franken-Schritten obsi. Am Ende sicherte sich eine Frau aus dem Bündnerland die Eintrittskarten zu einem Preis, den ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte vorstellen können:

Wie aus einer anderen Welt

Ein Grund zum Feiern ist es eher nicht, aber drandenken kann man ja trotzdem: Heute vor drei Jahren begann wegen winziger Käfer eine grosse Pause.

In einer Art Tagebuch notierte ich damals, was um mich herum (und, manchmal, auch in mir drin) während des ersten Corona-Lockdowns passierte.

Wenn ich mir einige dieser Beiträge heute anschaue, kommen sie mir sehr unwirklich vor. Es ist, als ob das alles vor langer, langer Zeit in einem anderen Universum passiert wäre.